Ihr Wille Geschehe: Mitchell& Markbys Zehnter Fall
gemalt worden. Das Thema war eine freie Wiese, umgeben von Bäumen – und mitten in der so geschaffenen Landschaft zwei eigenartige, nicht identifizierbare graue Gestalten. Diese Gestalten waren es, die Meredith mit ihrer Frage gemeint hatte. Auf irgendeine undefinierbare Weise schien Sadie näher zu rücken. Ihr Lächeln war verschwunden, ihre Augen waren leer, und sie stand steif aufgerichtet in ihrem blauen Zelt.
»Das ist der ›Stehende Mann und seine Frau‹.« Unwillig trat sie zu dem Bild und deutete auf die beiden grauen Gestalten.
»Es ist ein altes Monument und steht unter Denkmalschutz. Es ist auf der Generalstabskarte eingezeichnet. Wie Stonehenge, wissen Sie, nur ein wenig kleiner. Die Namen sind schon sehr alt. Sie haben schon immer so geheißen.« Sie deutete auf den näheren der beiden Steine im Bild.
»Das hier ist der Stehende Mann.« Ihre plumpe kleine Hand fiel schlaff herab.
»Das andere ist seine Frau.«
»Das wäre ein Souvenir!«, sagte Meredith. Sadie schüttelte hastig den Kopf.
»Das mögen Sie bestimmt nicht. Es gibt keine Pferde, überhaupt keine Tiere darauf zu sehen.«
»Nicht für Emma, sondern für mich. Es gefällt mir. Was kostet es?«
»Es ist nicht zu verkaufen!« Sadie Warren zögerte.
»Es ist ein Geschenk, verstehen Sie, zu meinem Geburtstag. Von einem alten Freund obendrein. Ich habe es hier aufgehängt, weil ich es mag.«
»Zu schade, wirklich. Ist der Künstler aus dieser Gegend?« Erneutes Zögern.
»Mervyn Pollard. Der Gastwirt vom King’s Head. Er malt ein wenig.« Meredith hatte alle Mühe, sich ihr Erstaunen nicht anmerken zu lassen. Sie erinnerte sich deutlich, wie ungeschickt der Mann die Teller gehalten hatte. Diese Schaufel von einer Hand mit den dicken, plumpen Fingern sollte einen Pinsel halten können? Offensichtlich.
»Vielleicht hat er noch so ein Bild, meinen Sie nicht? Wenn ich ihn frage, ob er es verkauft?«
»Vielleicht.« Sadie klang ein wenig gereizt. Meredith fragte sich, ob der ›Stehende Mann und seine Frau‹ bei einem späteren Besuch von WIR-HABEN-ALLES immer noch dort an der Wand hängen würde, wo das Bild neugierigen Kunden ins Auge fallen konnte. Sadie wartete.
»Ich nehme den Stickkasten, wenn es recht ist.« Meredith deutete auf das Kästchen und zückte ihre Geldbörse.
»Er wird dem kleinen Mädchen gefallen«, sagte Sadie, als würde sie Emmas geheimste Gedanken kennen – und das war offensichtlich genau der Eindruck, den Sadie zu erwecken trachtete, dachte Meredith. Und seit langer Zeit erfolgreich erweckt, deswegen ihr Ruf in diesem Dorf.
»Eigenartig«, sagte Meredith, während sie die Papiertüte mit ihrem Einkauf in die Hand nahm, »wie kleine Mädchen immer wieder verrückt nach Pferden sind, finden Sie nicht? Wenn ich richtig informiert bin, ist die kleine Julie Crombie hier aus dem Dorf nicht anders.«
»Sie schlägt sich ganz ausgezeichnet bei den Turnieren in der Gegend«, stimmte Sadie ihr zu und nickte.
»Aber sie hat auf Mrs Smeatons Pony reiten gelernt, ist das richtig? Das war sehr freundlich von Mrs Smeaton, nicht wahr? Wirklich schade, diese Geschichte mit ihrem Pony. Ich kann mir denken, dass Julie ganz untröstlich war, als es starb.«
»Es war ein Unfall«, sagte Sadie.
»Es hat irgendein giftiges Kraut gefressen.« Sie ging zur Tür.
»Beide Male Unfälle. Auch als die alte Dame die Treppe runtergefallen ist.« Sie öffnete Meredith die Tür und stellte sich wartend daneben. Meredith verstand den Wink und ging. Markby hatte sich von Wynne sagen lassen, wo er das Haus des Tierarztes finden konnte, und machte sich kurz nach Meredith auf den Weg. Er war mit weitaus weniger Begeisterung an die Aufgabe gegangen als Meredith. Die ganze Geschichte war ihm peinlich. Wie konnte er einfach dort auftauchen und nach dem toten Pony fragen? Welchen Grund konnte er für sein Interesse vorgeben? Würde Armitage es als Kritik an seinen ärztlichen Fähigkeiten auffassen?
»Verdammt«, murmelte Markby, während er durch die engen Straßen stapfte, ohne von dem schönen, frischen Morgenwetter, das Meredith so genossen hatte, Notiz zu nehmen.
»Ich hätte mich nie dazu überreden lassen dürfen. Ich muss zum Arzt und mir den Kopf untersuchen lassen!« Das Haus des Tierarztes stand weiter unten auf dem Hügel, am Rand des alten Dorfs, unmittelbar vor der Grenze zu dem kleinen, ordentlich angelegten Viertel der Sozialbauten und der Neubausiedlung dahinter. Das Haus war aus grauem Feldstein erbaut und stand hinter
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