Ihr Wille Geschehe: Mitchell& Markbys Zehnter Fall
jugendliche Gesicht wurde rot, die Contenance war dahin, und Burnett starrte seinen Besucher trotzig an.
»Offensichtlich war sie dankbar, denn sie hat Ihnen ja eine gewisse Summe in ihrem Testament hinterlassen, wenn ich recht informiert bin …«, sagte Markby und erwiderte den Blick mit erhobenen Augenbrauen.
»Sie sind verdammt gut informiert!«, schnappte Burnett.
»Ja, sie hat mir etwas vermacht! Aber es war kein Vermögen, bestimmt nicht! Sie hat mir tausend Pfund vermacht und eine alte Reiseuhr, wenn Sie es genau wissen wollen! Diese kleine Uhr dort drüben!« Er deutete auf das kleine Gerät auf einem Regal. Markby bewunderte es und sagte, es wäre doch ein netter Zug von der alten Dame gewesen und ob Olivia gewusst hätte, dass ihm die Uhr gefiel?
»Vermutlich, ja. Ich glaube, ich habe es einmal erwähnt«, entgegnete Burnett zögernd.
»Man unterhält sich eben … und mit alten Damen ist das nicht immer so einfach!«
»Hat sie denn nie über sich selbst gesprochen? Über ihre Vergangenheit? Ihre Erfolge als Rallyefahrerin oder die Zeit während des Zweiten Weltkriegs?«
»Nicht ein Wort!«, schnappte Burnett. Das Telefon läutete. Markby hörte, wie Mrs Burnett an den Apparat ging und mit dem Anrufer redete. Im Hintergrund plärrte ein missgelauntes Kleinkind. Burnett rutschte unruhig in seinem Sessel hin und her.
»Ich bin ein viel beschäftigter Mann, wissen Sie …?«
»Ja. Ich verstehe. Nur noch zwei Fragen, wenn Sie nichts dagegen haben.« Burnett sah ganz danach aus, als hätte er. Er funkelte seinen Besucher an.
»Aber machen Sie es kurz, wenn möglich, ja?«
»Ich tue mein Bestes. Ich denke, der Tierarzt Rory Armitage war sehr besorgt über die Auswirkungen, die der Tod des Ponys auf Mrs Smeaton haben könnte. Ich denke außerdem, dass er der Meinung war, das Tier würde an Altersschwäche sterben, bevor er erkannte, dass es sich um eine Vergiftung handelte. Er hat mir berichtet, dass er mit Ihnen darüber gesprochen hat und dass Sie überlegt haben, wie Sie der alten Dame die traurige Nachricht schonend beibringen könnten, als das Pony starb.«
»Ja. Das ist richtig!« Burnett gewann wieder an Selbstvertrauen.
»Aber Sie sind nicht«, fuhr Markby freundlich fort, »am Wochenende nach der Beerdigung von Olivia Smeatons Pony über die Straße zu der alten Dame gegangen, um nachzusehen, wie es ihr geht? Das wäre doch wohl ein geeigneter Zeitpunkt für einen Besuch gewesen, meinen Sie nicht?« Burnett starrte Markby wie betäubt an. Dann lief er dunkelrot an, und seine Augen glitzerten vor Zorn. Er packte die Armlehnen seines Sessels und beugte sich kampflustig vor.
»Olivia war nicht die einzige Patientin in meiner Kartei, wissen Sie? Ja, ich hätte rübergehen und nachsehen können, und ich hätte es ganz bestimmt auch getan, wenn ich die Zeit gefunden hätte! Aber wie es der Zufall wollte, hatte ich an diesem Wochenende Notdienst. Rufbereitschaft. Zwei Notfälle ereigneten sich, einer am Samstag und einer am Sonntag. Wir haben eine ländliche Praxis, und beide Anrufe kamen von weit außerhalb. Sie können das gerne überprüfen, wenn Sie möchten! Ich verschob mein Vorhaben, Olivia zu besuchen, auf den Montag, doch da war sie bereits tot, und Janine Catto hatte sie am Fuß ihrer Treppe gefunden. Wäre meine Frau nicht so mit den Kindern beschäftigt gewesen, wäre sie vielleicht kurz mal rübergegangen, um nach Olivia zu sehen. Aber sie hatte niemanden, der auf die Kinder aufgepasst hätte, und Olivia war nicht gerade die Sorte Mensch, die Babys mochte!« Wie auf ein Zeichen hin klopfte Mrs Burnett an der Tür und steckte ihr abgehetztes Gesicht durch den Spalt.
»Tut mir Leid, wenn ich stören muss, aber Rory Armitage ist am Telefon, Tom. Gill ist krank geworden. Kannst du zu ihnen fahren, jetzt gleich?« Burnett klammerte sich unübersehbar an die Worte seiner Frau wie ein Ertrinkender an eine Rettungsleine.
»Sicher, sag ihm, ich bin schon auf dem Weg!« Er sprang auf.
»Nun, Sie sehen ja, wie das ist, Superintendent. War nett, sich mit Ihnen zu unterhalten.« Er streckte Markby die Hand hin. Markby fand kaum Zeit, sie zu schütteln, bevor ihr Besitzer fluchtartig den Raum verließ.
Während Alan Markby zum zweiten Mal an diesem Tag die Türglocke von The Abbot’s House betätigte, hatte sich Rory Armitage, der die ganze Nacht auf den Beinen gewesen war, um bei der Geburt zweier Kälber zu helfen, zu einem kurzen Nickerchen in dem abgewetzten Ledersessel niedergelassen,
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