Ihre Beiden Väter
dich.“
„Ich kann nicht.“ Srikkanths Stimme klang besiegt.
„Lässt du dich von denen wirklich wieder in den Schrank zurückdrängen?“, fragte Jaime langsam.
„Das mache ich doch gar nicht. Ich beschütze Sophie. Du warst nicht hier. Du weißt nicht, wie es war!“
Jaime schüttelte seinen Kopf. „Du kriechst mit eingezogenem Schwanz wieder in den Schrank zurück und versuchst mich mitzuziehen. Was du tust, kann ich nicht kontrollieren, aber ich werde es nicht tun. Ich gehe spazieren.“
Nicht einmal andere Schuhe zog er sich an, sondern ging einfach wieder durch die Tür und schlug sie frustriert hinter sich zu. Jaime hatte so sehr versucht, Srikkanth zu unterstützen, zu verstehen, was er wegen der Intoleranz eines Menschen durchmachte. Aber den Kampf des Coming- outs hatte er einmal gekämpft und wurde mit den, anfangs entsetzten, Reaktionen seiner relativ konservativen Familie fertig. Er war stolz, wer er war, stolz auf das Leben, das er sich aufgebaut hatte. Zu verstecken, was er für Srikkanth und Sophie fühlte, ihnen ein normales Leben zu verweigern, fühlte sich falsch an. Als wären all die früheren Kämpfe nichts wert.
Seine Füße trugen ihn zum Park die Straße runter. Dort, wo Srikkanth und er ihr erstes „Date“ hatten. Er ließ sich auf die Bank sinken, sein Kopf in seinen Händen und versuchte, nach vorne zu blicken. Er hatte sich unwiderruflich in Sophie verliebt. Sie jetzt zu verlieren, wäre wie das eigene Kind zu verlieren. Etwas, was er sich einfach nicht vorstellen konnte. Obwohl er mit niemandem zusammen sein wollte, der sich für ihn schämte. Wie sehr er auch ein Teil von Sophies Leben sein wollte, wollte er nicht in Angst leben, jemand könnte etwas über sie rausfinden. Dass Srikkanth so leben wollte, konnte er sich auch nicht vorstellen. Momentan lebte er aber so. Doch davon konnte Jaime kein Teil sein.
Dieser Gedanke schmerzte fast genau so sehr, wie der, sich von Sophie zu verabschieden. Seit Jahren waren Srikkanth und er Freunde gewesen. Die letzten vier Monate, als er ihm mit Sophie geholfen hatte, waren mit die Besten seines Lebens gewesen. Seine Brust schmerzte, als er sich daran erinnerte, wie richtig es sich angefühlt hatte, in Srikkanths Bett zu liegen und zu wissen, dass Sophie im Zimmer nebenan schlief. Morgens zusammen aufzuwachen und den Tag zusammen zu verbringen. Zusammen waren sie stärker, als sie es einzeln jemals hätten sein können. Wenn sie diesen Schritt nicht gewagt hätten, wenn er Srikkanths Freund, der ihm ab und zu mit dem Baby half, geblieben wäre, wäre es jetzt vielleicht einfacher, den Schritt zurück zu machen. Doch sie hatten die Grundregel gebrochen. Jetzt wurde er nicht nur damit konfrontiert, eine Tochter zu verlieren, die zu bekommen er niemals erwartet hätte. Er wurde auch damit konfrontiert, einen Liebhaber zu verlieren, bei dem er nicht geahnt hatte, ihn zu begehren.
Der Besuch der Sozialarbeiterin war erst zwei Wochen her. Er könnte Srikkanth mehr Zeit geben, sehen, ob die Dinge sich besserten, wenn er weniger vorsichtig werden würde und die Angst verblasste. Doch Jaime hatte keine Garantie, ob es funktionieren würde. Jetzt mit Srikkanth Schluss zu machen, wäre hart genug. Sich mehr Zeit zu geben, um sich noch mehr zu verlieben, würde es nur noch schlimmer machen. Falls er sich dazu entscheiden sollte, sich zurückzuziehen, müsste es jetzt sein. Wenn er noch etwas Hoffnung haben durfte, dass sein Herz unversehrt blieb.
Bei diesem Gedanken brannten seine Augen, die unerwarteten Tränen blinzelte er weg. Wann hatte er sich so sehr verliebt? Er versuchte zurück zu denken, den Moment zu bestimmen, an dem sich seine Gefühle von Freundschaft zu mehr verändert hatten. Doch er konnte keinen einzigen Augenblick benennen. Statt eines Aha-Erlebnisses war es eher ein langsamer Prozess gewesen. Das Gefühl von Familie, seit Sophie ein Teil ihres Lebens wurde, war schrittweise gewachsen, bis das Gefühl von Zugehörigkeit so stark wurde, dass es Jaime nicht mehr ignorieren konnte. Trotzdem konnte er nicht beides haben. Er kannte sich selbst gut genug, um zu wissen, dass ihre Auseinandersetzung heute nur der Anfang sein würde, beließ er die Dinge so, wie sie waren. Er würde dieses Familiengefühl ein wenig länger haben können. Doch seine Verbitterung würde ebenso wachsen, bis sie immer öfter streiten würden. Sophie verdiente mehr als das. Wenn er jetzt ginge, würde sie dem nicht ausgesetzt werden. Sie würde sich nicht
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