Ikone der Freiheit - Aung San Suu Kyi
Vergessenheit geraten wäre oder zumindest ihre Popularität verloren hätte. Doch Mitte der 2000er Jahre hatte sich die Lage festgefahren. Der nationale Konvent war 1996 auf Eis gelegt worden. Die NLD war abgesprungen, und die meisten Vertreter der ethnischen Minderheiten hatten den Versuch der Junta, die Forderungen nach einer föderalen Verfassung zu marginalisieren und die Zusammensetzung des Konvents zu bestimmen, mit kritischen Augen betrachtet. Auch für die Regeln, die den Ablauf des Konvents bestimmen sollten, hatte die Junta harte Kritik einstecken müssen. Jeder, der etwas an diesen Regeln auszusetzen hatte, konnte zu 20 Jahren Gefängnis verurteilt werden, was zur Folge hatte, dass keiner der Delegierten wagte, irgendwelche Ansichten in Bezug auf die Arbeitsweise des Konvents zu äußern.
Die Waffenruhe, die Khin Nyunt mit den ethnischen Minderheiten ausgehandelt hatte, hielt zwar noch, aber keine der Gruppen hatte ihre Waffen niedergelegt. Der Konflikt hatte sich abgekühlt, konnte aber früher oder später erneut ausbrechen.
Darüber hinaus war die Wirtschaft des Landes nicht in Gang gekommen. Nachdem Burma im Sommer 1997 ein Mitglied der ASEAN -Staaten geworden war, hatte die Junta auf eine schnelle wirtschaftliche Entwicklung gehofft, die ihre Macht sichern sollte. Doch Burma war noch immer genauso korrupt und für ausländische Unternehmen weiterhin schwer zugänglich. Außerdem hatte die Finanzkrise der 1990er Jahre auch Südostasien erreicht, und das nur wenige Monate, nachdem die Mitgliedschaft des Landes in Kraft getreten war. Die Länder, die der Junta eigentlich als Zugpferd hätten dienen sollen, mussten nun ihre eigenen Probleme lösen und gegen Arbeitslosigkeit und eine galoppierende Verarmung kämpfen. Zum Jahrtausendwechsel litt ein Drittel aller Kinder in Burma an chronischer Unterernährung.
Gleichwohl versuchte die Junta, den schönen Schein zu wahren. Die Zeitungen brachten Artikel über den Fortschritt der Nation und druckten Bilder von Generälen bei der Einweihung neuer Bauprojekte. Die Propaganda ging sogar so weit, dass die Sicherheitspolizei die Häftlinge in den Gefängnissen davon zu überzeugen versuchte, dass das Land auf dem richtigen Weg sei. Als der NLD -Aktivist Zin Linn nach sieben Jahren im Insein-Gefängnis kurz vor Weihnachten 1997 freigelassen wurde, verfrachtete ihn ein Agent der Sicherheitspolizei in einen Wagen und fuhr mit ihm durch Rangun, um ihm neue Straßen, Brücken und Hotels zu zeigen. »Siehst du, welch enorme wirtschaftliche Entwicklung die SPDC dem Land beschert hat?«, fragte der Agent. »Wie kannst du nur dagegen sein? Willst du nicht, dass es Burma gut geht?«
Als der australische Journalist Roger Mitton dieselbe Frage an Aung San Suu Kyi richtete, erwiderte sie:
»Aber ist es nicht die Verantwortung jeder Regierung, Straßen und Brücken zu bauen? Käme es zu einem Vergleich, dann müssten wir eine Liste all jener Straßen und Brücken erstellen, die von der Kolonialregierung gebaut wurden. Und dann müssten wir die Kolonialregierung als außerordentlich gute Regierung ansehen. Aber ich bezweifle, dass dieses Regime solch eine Definition akzeptieren würde. Sie beschreiben etwas, dass jede Regierung tun sollte, und das ist definitiv kein Argument für die Beibehaltung einer Militärdiktatur.«
Die Propaganda der Junta ließ natürlich die Arbeitslosigkeit unerwähnt, die laut der Beurteilung von Fachleuten bei über 50 Prozent lag. Ebenso wenig erwähnte sie die enormen sozialen Probleme infolge von Drogenmissbrauch oder der zunehmenden HIV-Epidemie, die jedes Jahr Tausende von Todesopfern forderte.
In den Jahren um den Jahrtausendwechsel gab es zudem immer neue Berichte über die zunehmend brutalen Übergriffe der Junta auf die ethnischen Minderheiten. Die Junta verstärkte den Druck auf diejenigen Guerillatruppen, die die Vereinbarung über eine Waffenruhe nicht unterzeichnet hatten. Anfang 1995 wurde der Ort Manerplaw angegriffen, der einigen Widerstandsgruppen als Basis diente. Manerplaw fiel in die Hände der Junta; das bisher vom Karen-Volk kontrollierte Gebiet schrumpfte auf einen kleinen Landstreifen an der Grenze zu Thailand zusammen. Um den Widerstand der übrig gebliebenen Guerillatruppen zu brechen, wandte die Junta im Folgenden die sogenannte Strategie der vier Schläge an. Ziel war es, den Widerstandstruppen den Zugang zu Informationen, Waffen, Lebensmitteln und neuen Rekruten zu versperren. Die einzige Möglichkeit, dieses Ziel
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