Ikone der Freiheit - Aung San Suu Kyi
Aung San Suu Kyi weigerte sich, umzukehren, und übernachtete sechs Tage mitsamt ihren Begleitern im Wagen, ständig beobachtet von der Polizei und internationalen Medien. Sie hatten nur wenig Wasser und nichts zu essen dabei, und die Polizei sorgte dafür, dass sich niemand dem Wagen nähern und die Insassen mit Nahrung versorgen konnte. Schließlich hatte die Polizei genug von der Aktion. Die Polizisten rissen die Wagentür auf und zerrten den Fahrer heraus. Aung San Suu Kyi, die geschlafen hatte, wurde mit Gewalt auf dem Rücksitz festgehalten und zurück in die University Avenue gebracht.
Sie war stinksauer. »Sie haben mich entführt. Und sogar meinen Wagen gestohlen«, ließ sie über einen Sprecher verlauten und versprach, einen weiteren Versuch zum Verlassen der Hauptstadt zu unternehmen, sobald sie wieder zu Kräften gekommen wäre.
Der Zeitpunkt war strategisch gut gewählt. Zur selben Zeit, als Aug San Suu Kyi am Stadtrand von Rangun die Nächte auf der Rückbank eines Autos verbrachte, wurde in der philippinischen Hauptstadt Manila eine Konferenz der ASEAN abgehalten. Die amerikanische Außenministerin Madeleine Albright war Teilnehmerin an der Konferenz und forderte gemeinsam mit ihren Kollegen aus den ASEAN -Ländern die burmesischen Vertreter auf, Aung San Suu Kyi freizulassen und einen Dialog mit der Demokratiebewegung einzuleiten. Hla Min, der Sprecher der SPDC, wies die Kritik entnervt zurück und warf Suu Kyi vor, den Zusammenstoß mit der Polizei bewusst provoziert und somit Madeleine Albright einen Vorwand geliefert zu haben, Burma angreifen zu können.
Im Laufe des Herbstes bildete die NLD ein Komitee, welches das gewählte Parlament repräsentieren sollte. Die Junta reagierte wie üblich und erhöhte den Druck. Über tausend NLD -Aktivisten wurden ins Gefängnis geworfen oder gezwungen, sich von der Partei abzuwenden. Zahlreiche Parlamentarier wurden in sogenannten Gästehäusern festgehalten und sollten so lange dort bleiben, bis sie eine »reformierende Ausbildung« durchlaufen hätten. Wenn es bis zu diesem Zeitpunkt irgendein Vertrauen zwischen Aung San Suu Kyi und Khin Nyunt gegeben haben sollte, war dies ab diesem Zeitpunkt vollkommen zerstört. Im Januar 1999 reichte die NLD eine Klage ein und beschuldigte den mächtigen Chef der Sicherheitspolizei, eine politische Partei zu sabotieren, die laut burmesischem Gesetz das Recht hätte, frei zu agieren.
Genau in diesem Moment, als die Lage in Burma nicht dramatischer hätte sein können, ereignete sich in Oxford etwas, das alles veränderte: Michael Aris hatte erfahren, dass er an Krebs erkrankt war.
Die Familie hatte bereits einige schwere Jahre durchlebt. Die beiden Jungen hatten unter dem sechs Jahre währenden Hausarrest ihrer Mutter sehr gelitten. Doch niemals hatten sie sich öffentlich beklagt oder Aung San Suu Kyi für ihre Entscheidung, in Rangun zu bleiben, kritisiert. Als sie unter Hausarrest gestellt wurde, hatte Alexander bereits entschieden, England zu verlassen, um in den USA zu studieren. Kim war gerade ins Teenageralter gekommen und vermisste seine Mutter sehr. Außerdem hatte Michael 1990 einen Job als Gastforscher in Harvard angenommen, und Kim wohnte zwei Jahre bei Michaels Schwester Lucinda Phillips und ihrer Partnerin Adrienne. »Ohne Mamas kreative Energie und ihre Nähe war es zu Hause nicht dasselbe«, sagte er viele Jahre später, als er selbst heiratete, eine Familie gründete und als Tischler in Oxford arbeitete. »Wenn sie da war, kamen immer Leute zu Besuch, und ständig machten wir phantastische Reisen. Ohne sie verlief unser Leben viel schlichter.«
Nach ihrer Freilassung im Jahr 1995 reiste die Familie zweimal nach Burma, zunächst im Sommer und danach in der Weihnachtszeit. Im folgenden Jahr erhielt Kim die Erlaubnis, zweimal nach Burma zu fliegen, und jedes Mal blieb er einige Wochen bei seiner Mutter. Da der Familie das Recht der Jungen auf ein Privatleben immer sehr wichtig war, gibt es keine Aufzeichnungen über diese Zeit. Lediglich eine kurze Anekdote beschreibt, wie Kim seiner Mutter während eines Besuchs Reggae und Rockmusik schmackhaft machte. Ständig war er mit einem Walkman herumgelaufen und hatte die Lautstärke voll aufgedreht. Suu Kyi befürchtete, dass er einen Hörschaden davontragen würde, und ließ ihn schließlich seine CDs über die Stereoanlage spielen. Und Suu Kyi, die niemals etwas anderes als klassische Musik gehörte hatte, fand schließlich sogar Gefallen an Bob Marley und
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