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Ilium

Titel: Ilium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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der Geschöpfe in die Brust zu greifen und es durch Kommunikation zu töten, war ihm zutiefst zuwider. Nein, er würde das erst tun, wenn es gar nicht mehr anders ging.
    Er stand auf, kehrte zu Orphus Leichnam zurück und begann, die Energiezellen voneinander zu trennen.
    »He«, sagte Orphu über die Kommunikationsleitung, »ich esse noch.«
    Mahnmut war so überrascht, dass er im Sand einen Satz rückwärts machte. »Herr im Himmel, du bist lebendig.«
    »So ›lebendig‹ wie jeder von uns Moravecs.«
    »Hol dich der Teufel!« Mahnmut wollte lachen und weinen zugleich, aber am liebsten hätte er auf die große, ramponierte Königskrabbe eingeschlagen. »Warum hast du mir nicht geantwortet, als ich dich immer und immer wieder gerufen habe?«
    »Was meinst du?«, sagte Orphu. »Ich war im Winterschlaf. Und zwar seit uns auf der Lady die Luft und die Energie ausgegangen sind. Erwartest du von mir, dass ich mit dir plaudere, während ich Winterschlaf halte?«
    »Was ist das für ein Winterschlaf-Scheiß?«, fragte Mahnmut, während er um Orphu herumlief. »Ich habe noch nie gehört, dass Moravecs Winterschlaf halten.«
    »Gibt’s das bei euch europaschen Vecs etwa nicht?«
    »Offensichtlich nicht.«
    »Tja, was soll ich sagen? Wenn wir Hochvakuum-Moravecs allein in Ios Strahlungstorus oder irgendwo im Jupiterraum arbeiten, geraten wir manchmal in Situationen, in denen wir einfach alles für eine Weile abschalten müssen, bis jemand uns reparieren und wieder aufladen kann. So was kommt vor. Nicht oft, aber immerhin.«
    »Wie lange hättest du in diesem … Winterschlaf bleiben können?«, fragte Mahnmut. Sein Ärger verwandelte sich in eine Art Schwindelgefühl.
    »Nicht lange«, sagte Orphu. »Ungefähr fünfhundert Stunden.«
    Mahnmut streckte Finger durch seine Manipulatorgreifer, hob einen Stein auf und warf ihn an Orphus Panzer.
    »Hast du etwas gehört?«, fragte der Ionier.
    Mahnmut seufzte, setzte sich an jenem Ende von Orphu, das früher einmal seine Augen beherbergt hatte, in den Sand und schilderte ihm ihre gegenwärtige Lage.
     
    Orphu überzeugte Mahnmut, dass er noch einmal durch einen Übersetzer mit den KGMs kommunizieren musste. Dem Ionier gefiel die Vorstellung, den Tod eines der kleinen grünen Männchen zu verursachen, ebenso wenig wie Mahnmut – insbesondere, weil die KGMs ihn gerettet hatten –, aber er argumentierte, die Mission hinge davon ab, dass sie sich mit ihnen verständigten, und zwar schnell. Mahnmut hatte es noch einmal mit Reden, mit Zeichensprache und Zeichnungen im Sand versucht – er hatte Karten der Küste, an der sie sich befanden, und ihrem Ziel, dem Vulkan, gezeichnet –‚ hatte es sogar mit der Idiotenversion der Verständigung in einer Fremdsprache schlechthin probiert: Schreien. Die KGMs starrten ihn nur ruhig an, reagierten aber nicht. Schließlich ergriff ein kleines grünes Männchen die Initiative. Es trat vor, packte Mahnmuts Hand und zog sie an seine Brust.
    »Soll ich?«, wandte sich Mahnmut über die Kommunikationsleitung an Orphu.
    »Du musst.«
    Mahnmut zuckte zusammen, als seine Hand durch das nachgiebige Fleisch gezogen wurde, als seine Finger sich um jenes Gebilde in der warmen, sirupartigen Flüssigkeit im Körper des Männchens legten und schlossen, das nur ein schlagendes grünes Herz sein konnte.
     
    WIE
    KÖNNEN
    WIR
    EUCH
    HELFEN?
     
    Mahnmut hätte am liebsten hundert Fragen gestellt, aber Orphu half ihm, Präferenzen zu setzen.
    »Das U-Boot«, sagte Orphu. »Wir müssen es außer Sicht schaffen, bevor ein Streitwagen darüber hinwegfliegt.«
    Durch eine Kombination aus Sprache und Bildern übermittelte Mahnmut den Gedanken, das U-Boot etwa einen Kilometer nach Westen zu schleppen und in die Meereshöhle in der Klippe zu ziehen, die an der Landspitze ins Meer ragte.
     
    JA
     
    Dutzende kleiner grüner Männchen machten sich bereits an die Arbeit, während Mahnmut noch dort stand, die Hand tief in der Brust des Übersetzers. Sie trieben Stangen in den Sand, führten weitere Seile zur Dark Lady und montierten Flaschenzüge. Der Übersetzer wartete mit Mahnmuts Hand um sein Herz.
    »Ich möchte ihn gern nach den Steinköpfen fragen«, sagte Mahnmut über die Kommunikationsleitung. »Ich wüsste gern, wer sie sind und warum sie das tun.«
    »Erst, wenn wir einen Weg gefunden haben, zum Olympus zu kommen«, beharrte Orphu.
    Mahnmut seufzte und übermittelte die Bitte um Hilfe auf der Reise zu dem großen Vulkan. Er übertrug Bilder des Olympus Mons,

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