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Ilium

Titel: Ilium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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von Harman und Ada.«
    Sie schüttelte den Kopf. Odysseus’ Geschwätz in den letzten Wochen war daran schuld, dass sich ihr Oberstübchen allmählich mit lauter Unsinn füllte. Gestern nach Einbruch der Dunkelheit, als sich die zahllosen Jünger auf den Weg zum Faxpavillon oder zu den Schlafzelten gemacht hatten – mehr zu den Zelten als zum Pavillon –‚ hatte sie die Nase voll gehabt und Odysseus unverblümt gefragt, wie lange er noch in Ardis Hall zu bleiben gedenke.
    Der alte Mann hatte sie beinahe traurig angelächelt. »Nicht mehr sehr lange, meine Liebe.«
    »Eine Woche?«, drängte Ada. »Einen Monat? Ein Jahr?«
    »Nicht so lange«, sagte Odysseus. »Nur bis der Himmel herabzufallen beginnt, Ada. Nur bis in deinem Garten neue Welten erscheinen.«
    Wütend über seine Unernsthaftigkeit und fast geneigt, den behaarten Barbaren unverzüglich von den Servitoren hinauswerfen zu lassen, war Ada steifbeinig zu ihrem Schlafzimmer hinaufgegangen – ihrem letzten privaten Rückzugsort in Ardis Hall, das unversehens zu einer öffentlichen Einrichtung geworden war –‚ wo sie wach dagelegen und sich über Harman geärgert, Harman vermisst und sich Sorgen um Harman gemacht hatte, statt dem alten Odysseus die Servitoren auf den Hals zu hetzen.
    Jetzt wandte sie sich vom Garten ab und wollte ins Haus gehen, aber eine seltsame Bewegung am Rand ihres Blickfeldes veranlasste sie, sich noch einmal umzudrehen. Zuerst glaubte sie, es seien nur die kreisenden Ringe, so wie immer, aber dann schaute sie noch einmal hin und sah einen weiteren Strich, als würde ein Diamant eine Linie ins perfekte blaue Glas des Himmels kratzen. Dann noch einen Kratzer, breiter, heller. Und einen vierten, so hell und so klar, dass Ada deutlich die Flammen sehen konnte, die der Lichtstrich hinter sich herzog. Ein paar Sekunden später hallten vier dumpfe Donnerschläge über den Rasen, und die dahinschlendernden Jünger blieben stehen und schauten nach oben. Selbst die Servitoren und Voynixe erstarrten inmitten ihrer Tätigkeiten.
    Ada hörte Schreie und Rufe vom Hügel hinter dem Haus. Menschen auf dem Rasen zeigten himmelwärts.
    Dutzende von Linien verunzierten jetzt den azurblauen Himmel – helle, flammende, brodelnde rote Linien, die kreuz und quer durch das Blau schnitten und von Westen nach Osten herunterkamen, einige mit farbigen Rauchfahnen, andere mit Gerumpel und erschreckenden Donnerschlägen.
    Der Himmel fiel herab.
     

48
Ilium und Olymp
    Der letzte und größte Krieg beginnt hier im Zimmer eines ermordeten Kindes.
    Die Götter müssen schon tausendmal auf diese Weise herabteleportiert sein, um mit Sterblichen zu reden – Athene, arrogant in ihrer Göttlichkeit, Apollo im ruhigen Bewusstsein seiner Macht, und meine Muse, die wahrscheinlich dabei ist, um den Scholikerstrolch namens Hockenberry zu identifizieren. Statt jedoch mit Ehrerbietung und Ehrfurcht begrüßt zu werden, statt mit törichten Sterblichen zu plaudern, die es gar nicht erwarten können, sich weitere interessante Methoden des gegenseitigen Abschlachtens aufschwatzen zu lassen, werden sie an diesem Tag sofort angegriffen.
    Die Muse zeigt auf mich und sagt: »Da ist er!«, Apollo dreht sich zu mir um und hebt seinen Bogen, aber bevor der Gott einen seiner silbernen Pfeile einlegen kann, springt Hektor vor, schwingt sein Schwert und schlägt ihm den Bogen herunter. Dann tritt er näher heran und stößt Apollo das Schwert tief in den Bauch.
    »Halt!«, ruft Athene und baut ein Kraftfeld auf, aber zu spät. Der fußschnelle Achilles ist bereits ins Innere des Kraftfelds getreten und schlitzt die Göttin mit einem einzigen, mächtigen Streich von der Schulter bis zur Hüfte auf.
    Athene schreit, und das Düsentriebwerksgetöse ist so laut, dass die meisten Sterblichen in diesem Raum – mich eingeschlossen – die Hände auf die Ohren pressen und vor Schmerz auf ein Knie sinken. Aber nicht Hektor. Nicht Achilles. Die beiden müssen taub sein für alles außer dem inneren Tosen ihres eigenen Zorns.
    Apollo ruft mit gesteigerter Lautstärke eine Warnung und hebt den rechten Arm – entweder um Hektor abzuwehren oder um einen göttlichen Blitzschlag loszulassen –, aber Hektor wartet nicht ab, um herauszufinden, was der Gott vorhat. Er schwingt sein schweres Schwert, führt einen beidhändigen Rückhandstreich aus, der mich an Andre Agassi in seiner Blütezeit erinnert, und schneidet Apollo in einem Sprühnebel von goldenem Ichor den rechten Arm ab.
    Zum zweiten Mal

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