Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Ilium

Titel: Ilium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
Vom Netzwerk:
polierter Helm blieb auf seinem Kopf, aber der Sturmwind, der auf die erste Stoßwelle folgte, riss ihm den stolzen roten Rosshaarbusch herunter.
    Ist etwas passiert?, fragte Orphu per Engstrahl.
    Ja, flüsterte Mahnmut.
    Ich spüre so etwas wie Vibration und Druck durch meine Hülle, sagte Orphu.
    Ja, flüsterte Mahnmut. Der Ionier war nur deshalb nicht vom Wind und der Stoßwelle davongewirbelt worden, weil Mahnmut das Seil um den größten Stein gebunden hatte, den er auf der windabgewandten Seite ihres schützenden Felsbrockens finden konnte.
    Was …‚ begann Orphu.
    Nur einen Moment, wisperte Mahnmut.
    Die Pilzwolke war jetzt bereits höher als zehntausend Meter. Rauch und Tonnen radioaktiven Schutts stiegen in die Stratosphäre. Nachbeben ließen den Boden so heftig vibrieren, dass selbst Achilles und Hektor auf ein Knie sinken mussten, um nicht wie die Zehntausende ihrer Männer umgeworfen zu werden.
    Die atomare Pilzwolke verwandelte sich in ein Gesicht.
    »IHR WOLLT KRIEG, O STERBLICHE?«, brüllte Zeus’ bärtiges Gesicht in der emporsteigenden, brodelnden, sich langsam entfaltenden Wolke. »DIE UNSTERBLICHEN GÖTTER WERDEN EUCH ZEIGEN, WAS KRIEG IST!«
     

51
Äquatorialring
    Prospero war mit einem langen, königsblauen Gewand voller bunter Stickereien bekleidet, die Galaxien, Sonnen, Kometen und Planeten zeigten. In der altersfleckigen rechten Hand hielt er einen mit Schnitzereien verzierten Stab, seine linke Hand lag auf einem dreißig Zentimeter dicken Buch. Der reich verzierte Sessel mit den breiten Armlehnen, in dem er saß, war kein richtiger Thron, vermittelte aber einen Eindruck gebieterischer Autorität, der vom kalten Blick des Magiers noch verstärkt wurde. Der Mann war weitgehend kahl, aber das verbliebene weiße Haar fiel ihm über die Ohren und ringelte sich bis hinunter zum Blau seines Gewands. Der einstmals imposante Kopf saß jetzt auf dem schrumpeligen Hals eines alten Mannes, aber das Gesicht war eisenhart und charaktervoll, mit kühlen, gleichgültigen, wenn nicht sogar richtig grausamen kleinen Augen, einer kühnen Adlernase, einem kräftigen, demonstrativ hervorspringenden Kinn, das sich noch nicht in Hängebacken oder Kehllappen verloren hatte, und schmalen Zaubererlippen, die sich in einem Ausdruck uralter, gewohnheitsmäßiger Ironie nach oben bogen. Er war natürlich ein Hologramm.
    Daeman hatte zugesehen, wie Harman durch die halb durchlässige Membran hereingeplatzt und in der unerwarteten Schwerkraft zu Boden gefallen war, genauso wie Daeman vor ihm. Als Harman sah, dass Daeman in einem bequemen Sessel saß und seine Osmosemaske abgenommen hatte, zog auch er seine Maske herunter, sog die frische Luft tief in die Lungen und taumelte dann zu dem anderen leeren Sessel.
    »Es ist nur ein Drittel der Erdschwerkraft«, sagte Prospero, »aber nach einem Monat in annähernder Schwerelosigkeit fühlt man sich bestimmt wie auf dem Jupiter.«
    Weder Harman noch Daeman erwiderte etwas darauf.
    Der Raum war kreisrund, hatte einen Durchmesser von ungefähr fünfzehn Metern und bestand im Grunde aus einer bis zum Fußboden reichenden Glaskuppel. Daeman hatte sie beim Anflug auf die gläserne Stadt nicht gesehen, weil sie am Südpol des Asteroiden heruntergekommen waren und dies der Nordpol war, aber er stellte sich vor, dass sie wie ein langer, schlanker Metallstängel mit diesem leuchtenden Pilz oben drauf aussehen musste. Die einzige Lichtquelle im Raum war ein rundes, schwach leuchtendes virtuelles Steuerpult hinter Prospero, und das Erdlicht, das Mondlicht und das Sternenlicht fluteten von allen Seiten herein. Es war hell genug, dass Daeman die sorgfältigen Arbeiten auf dem bestickten Gewand des Magiers und die geölten Schnitzereien an seinem Stab sehen konnte.
    »Du bist Prospero«, sagte Harman. Seine Brust hob und senkte sich rasch unter der blauen Thermohaut. Die frische Luft in dem Raum war auch für Daeman ein Schock gewesen. Es war, als atmete man einen schweren, starken Wein.
    Prospero nickte.
    »Aber du bist nicht real«, fuhr Harman fort, obwohl der Mann durchaus massiv wirkte. In der Drittelschwerkraft fiel das Gewand in schönen, aber dynamischen Falten und Knittern herab.
    Prospero zuckte die Achseln. »Das stimmt. Ich bin nur ein aufgezeichnetes Echo des Schattens eines Schattens. Aber ich kann euch sehen, euch hören, mit euch sprechen und Mitgefühl wegen eurer Strapazen empfinden. Das ist mehr, als wozu manche reale Wesen fähig sind.«
    Daeman schaute sich um. Er

Weitere Kostenlose Bücher