Ilium
hielt die schwarze Schusswaffe locker im Schoß.
»Wird Caliban hierher kommen?«
»Nein«, sagte Prospero. »Mein ehemaliger Diener fürchtet mich. Fürchtet diese sprechende Erinnerung an mich. Wenn die blauäugige alte Vettel, die ihn zur Welt gebracht hat, hier auf dieser Insel wäre, diese verdammte Quantenhexe Sycorax, würde sie im Nu über euch herfallen, aber Caliban hat Angst vor mir.«
»Prospero«, sagte Daeman, »wir müssen von diesem Felsbrocken herunter. Zurück zur Erde. Lebendig. Kannst du uns helfen?«
Der alte Mann lehnte den Stab an seinen Stuhl und hob beide fleckigen Hände. »Vielleicht.«
»Nur vielleicht?«, sagte Daeman.
Prospero nickte. »Als Echo eines aufgezeichneten Schattens kann ich nichts tun. Aber ich kann euch Informationen geben. Ihr könnt handeln, wenn ihr wollt, wenn ihr den Willen dazu besitzt. Wenige von eurer Art besitzen ihn noch.«
»Wie kommen wir weg von hier?«, fragte Harman.
Prospero strich mit der Hand über das Buch, und ein Hologramm erhob sich über dem runden Pult hinter ihm. Es zeigte den Asteroiden und die gläserne Stadt aus einigen Kilometern Entfernung im All; die golden verglasten Türme drehten sich langsam unter dem Standpunkt des Betrachters weg, während der Asteroid sich um seine Achse drehte. Daeman warf einen Blick auf das ausgeprägte Blau-Weiß der Erde, das draußen vor den Fenstern in Sicht kam, und merkte, dass das Bild synchronisiert war – ein Echtzeitblick von irgendwo dort draußen.
»Da!«, rief Harman und zeigte hin. Er versuchte, von seinem Sessel aufzuspringen, aber die Schwerkraft ließ ihn taumeln, und er hielt sich an den Armlehnen fest. »Da«, wiederholte er.
Daeman sah es. Auf einer Außenterrasse in etwa dreihundert Meter Höhe an jenem hohen Turm, durch den sie in die Stadt eingeflogen waren und dessen Metallhülle jetzt im Erdlicht glänzte – ein Sonie. »Wir haben die ganze Stadt durchsucht«, sagte Daeman, »aber wir sind nie auf den Gedanken gekommen, dass wir ein Fahrzeug außerhalb der Stadt finden könnten.«
»Es sieht genauso aus wie das Sonie, mit dem wir nach Jerusalem geflogen sind.« Harman beugte sich vor, um das holografische Bild besser erkennen zu können.
»Es ist dasselbe Sonie«, erklärte Prospero. Er machte eine weitere Handbewegung, und das Bild verschwand.
»Nein«, sagte Daeman. »Savi hat uns erzählt, dass Sonies nicht zu den Orbitalringen fliegen können.«
»Sie wusste es nicht besser«, erwiderte der alte Magier. »Ariel hat es aus dem Steinhaufen der Voynixe befreit und darauf programmiert, hier herauf zu kommen.«
»Ariel?«, wiederholte Daeman benommen. Er hatte einen Bärenhunger und war hundemüde. Er grub in seinem Gedächtnis. »Ariel? Der Avatar der Biosphäre dort unten?«
»So etwas Ahnliches«, sagte Prospero mit einem Lächeln. »Savi ist Ariel nie wirklich begegnet. Sie haben stets über das Allnet miteinander kommuniziert. Die alte Frau dachte immer, die Ariel-Figur sei männlich, obwohl der Geist sich meist einen weiblichen Avatar wählt.«
Wen interessiert das schon?, dachte Daeman. Laut fragte er: »Können wir mit dem Sonie zur Erde zurückfliegen?«
»Das würde ich meinen«, sagte Prospero. »Ich glaube, Ariel hat es darauf programmiert, euch drei nach Ardis Hall zurückzubringen. Noch so ein Deus ex machina. Ich bin nicht glücklich darüber, dass die Maschine hier ist.«
»Warum nicht?«, fragte Harman, aber dann nickte er. »Caliban.«
»Ja«, sagte Prospero. »Selbst die Glieder meines einstmaligen Trolls würden sich mit dürrem Krampf zermalmen, und seine Sehnen würden sich kurzziehen, wenn er sich ohne Anzug oder Thermohaut ins Hochvakuum vorwagen würde. Aber er hat es vergessen und die Thermohaut der armen Savi zerbissen.«
»Im vergangenen Monat hätte er noch zwei weitere Anzüge bekommen können«, sagte Daeman. Seine Stimme war so leise, dass sie vom Flüstern der Belüftung übertönt wurde. Der Raum drehte sich von der gekrümmten Erdscheibe über ihm weg ins Sternenlicht. Ein halber Mond ging über Prospero auf.
»Und die hätte er sich auch geholt, aber Caliban ist nicht Gott«, sagte der Magier. »Savi hat das Biest mit ihrer Flechette-Salve in die Brust zwar nicht getötet, aber schwer verletzt. Caliban hat geblutet und sich erholt und ist manchmal in seine tiefste Grotte abgetaucht, wo er die Wunden mit Sumpferde bedeckt und Echsenblut trinkt, um wieder zu Kräften zu kommen.«
»Wir haben dasselbe getrunken und gegessen«, erwiderte
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