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Illusion - das Zeichen der Nacht

Illusion - das Zeichen der Nacht

Titel: Illusion - das Zeichen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arena , Javier Pelegrin
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nicht mehr abstreiten. Wenn dir wirklich etwas an mir liegt, beweis es mir. Mach das Fenster auf.
    Zitternd ging Jana näher auf die dunkle Scheibe zu. Sie streckte eine Hand aus und strich sanft über die glatte Oberfläche. Das kühle Glas hatte eine beruhigende Wirkung, half ihr dabei, ihre Gedanken zu ordnen. Sie presste ihre linke Wange an die Scheibe und schloss die Augen. Augenblicklich überfiel sie eine angenehme Schläfrigkeit.
    Komm, Jana, mach mir auf. Die Stimme, die sie in ihrem Kopf hörte, war auf einmal die von Alex geworden. Ich bin’s, Alex, derselbe wie immer …
    Jana ließ die Hand über die Glasfläche gleiten. Auf der anderen Seite, in der feuchtkalten Nachtluft über dem Kanal, bebte das Gesicht des Nosferatu leicht, als hätte er ihre Liebkosung gespürt.
    Ich liebe dich, Jana. Du weißt ja gar nicht, wie sehr ich dich brauche. Und du brauchst mich auch.
    Ein wohliger Schauder lief über Janas ganzen Rücken. Diese Stimme war ihr so vertraut, es war absurd, sich ihr zu verschließen. In ihrer Brust zuckte ein Schmerz, als werde etwas in ihr zerrissen.
    »Sei still, Alex, bitte«, stieß sie hervor. »Wenn ich tue, was du willst, kann ich dir nicht helfen!«
    Lass mich zu dir. Die Stimme war ganz leise und flehend geworden. Hier bin ich in Gefahr, Jana. Vorhin hätte mich dieser Geist beinahe umgebracht. Er kann jeden Moment zurückkommen.
    »Vielleicht … vielleicht würde er dir einen Gefallen tun. Er könnte … dich befreien …« Janas Worte klangen zusammenhanglos, konfus. Das Kribbeln auf ihrem Rücken hatte sich ausgebreitet und ihren Hals, ihre Arme und ihre Wangen erfasst. Als ginge ein Regen von Zärtlichkeiten über ihr nieder. »Ich liebe dich, Alex«, sagte sie, ganz ihren Gefühlen hingegeben. »Ich brauche dich.«
    Auf einmal legten sich unsichtbare Arme um sie, während durstige Lippen sie küssten, auf den Nacken, zwischen die Brüste, hinter die Ohren.
    »Hör auf«, war das Einzige, was sie herausbrachte.
    Plötzlich wurde ihre Haut eiskalt. Die unsichtbaren Arme schlossen sich immer fester um ihre Taille und drohten, sie zu ersticken.
    Der Nosferatu befand sich weiterhin reglos hinter der Scheibe. Seine Augen schwebten in der Dunkelheit wie zwei Mandeln aus rotem Licht.
    Jana nahm ihre letzten Kräfte zusammen, löste sich vom Fenster und wich ein paar Schritte zurück. Das Gefühl, gleich zu ersticken, verschwand. Sie nahm die unsichtbare, eisige Berührung des Ungeheuers nicht mehr wahr.
    »Warum tust du mir das an?« Sie spürte die feuchte Wärme der Tränen in ihren Augen. »Warum hasst du mich so?«
    Jetzt hörte sich die Stimme an, als käme sie aus weiter Ferne, wie durch große räumliche und zeitliche Entfernung verfremdet und doch scharf und glasklar. Du hättest auf mich hören sollen. Du kannst mich nicht besiegen. Du bist nur noch ein Schatten dessen, was du einmal warst.
    »Und woher willst du das wissen? Wer bist du? Wer bist du wirklich?«
    Vor Janas Augen wurde das Mosaik, aus dem sich das Gesicht des Nosferatu zusammensetzte, schwarz und nahm die dicke, klebrige Konsistenz von Teer an. Das solltest du deinen Bruder fragen. Diesmal bewegten sich seine Lippen, wenn auch überhaupt nicht synchron mit den Lauten, die in Janas Kopf ankamen. Er wusste offenbar ziemlich viel über mich. Allerdings glaube ich nicht, dass der Ärmste dir noch eine Antwort geben kann. Es ist wohl zu spät für ihn …
    Entsetzen packte Jana »Was hast du mit ihm gemacht?«, fragte sie mit dünner Stimme.
    Der Nosferatu stieß langes, schrilles Gelächter aus. Das wird dich lehren, nicht mit mir zu spielen. In seine Worte mischte sich noch das letzte Echo dieses Lachens, das schneidend war wie eine Glasscherbe. Bis bald, Jana. Denk nicht, diese Mauern würden dich ewig schützen. Früher oder später werde ich dich vernichten.

Kapitel 6
    T aumelnd stürzte Jana aus ihrem Zimmer und blickte hilflos nach rechts und links, geblendet von dem hellen Licht im Flur. Sie hatte sich die Jeans so hastig angezogen, dass der oberste Knopf offen stand.
    Sie musste erst überlegen, wie dieses Stockwerk aufgeteilt war. Wo war noch gleich das Zimmer, in dem sie vorher untergebracht gewesen war und wo jetzt David schlief?
    Als es ihr wieder einfiel, lief sie nach links den Flur entlang. Ihr Bruder hatte gesagt, er werde den ganzen Abend dort sein. Die Wächter hatten ihn bei ihrer Expedition in die Dajedi-Villa nicht dabeihaben wollen und ihn vor ihrem Aufbruch gebeten, auf Jana aufzupassen.

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