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Illusion - das Zeichen der Nacht

Illusion - das Zeichen der Nacht

Titel: Illusion - das Zeichen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arena , Javier Pelegrin
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jetzt kam es darauf an, ihn zu finden, das Ungeheuer zu ignorieren und sich ganz auf Alex zu konzentrieren. Ihm begreiflich zu machen, dass sie ihm vertraute, dass sie nie aufgehört hatte, ihm zu vertrauen, und dass sie ihn trotz allem immer noch liebte.
    Janas Blick war nach wie vor auf den Nosferatu geheftet, aber ganz allmählich wurde ihre Miene weicher. Aus ihren Augen sprach ein tief empfundenes, ergreifendes Gefühl. Ein Ausdruck wahrer Liebe.
    Verwirrt schloss das Ungeheuer die Augen, als könne es diesen Blick nicht ertragen. Und genau in diesem Moment sah Jana, wie aus der Brust des Nosferatu eine durchscheinende Hand auftauchte. Diese Hand drückte das klopfende Herz sanft nach unten. Jetzt schlug die Waage zu seinen Gunsten aus.
    Im selben Moment zerriss ein Sonnenstrahl die Dunkelheit des Tempels und lichtete die Schatten. Der Strahl wurde breiter, bis er zu einem langen blendend hellen Streifen angeschwollen war, der quer durch die Gewölbe verlief, bis zu der Säule, auf dessen Kapitell der heilige Ibis ruhte.
    Als das Licht ihn traf, löste sich der schwarz-weiß gefiederte Vogel in Luft auf. Zugleich erschien wie von Zauberhand am Säulenschaft die alte ägyptische Hieroglyphe für den Ibis: das Symbol des Gottes der Schrift, das Zeichen des Gottes Thot.
    Ein krächzender Laut, eine Art Schluchzen, drang aus der Kehle des Nosferatu. Jana blickte ihn an. Durch seine abstoßende Maske aus bemalter Haut hindurch glaubte sie Alex’ Lächeln zu sehen, voller Vertrauen und Zärtlichkeit.
    Aber die Vision dauerte nur ein paar Sekunden. Als das Sonnenlicht die tote Haut des Nosferatu erreichte, begann sie zu rauchen. Ein beißender Geruch nach verbranntem Fleisch erfüllte den Raum.
    Das Wesen stieß einen spitzen Schrei aus.
    Jana wich erschrocken zurück. Die Sonne hatte sämtliche Schatten des Tempels aufgelöst, nur nicht den der Säule mit dem Ibis-Symbol. Dorthin wollte sich der Nosferatu flüchten, um sich vor dem Licht zu schützen. Doch etwas hinderte ihn daran. Für einen kurzen Moment hob sich vom Körper des entsetzlichen Wesens eine Silhouette ab, die identisch war mit seiner eigenen, aber so zart und körperlos wie ein Hologramm. Jana begriff, dass es die Seele von Alex war, die ihren Peiniger verzweifelt daran hindern wollte, sich in die Dunkelheit der Säule zu flüchten.
    Zerstör diese Säule! Jana konnte Alex’ Stimme deutlich in ihrem Kopf hören. Dort befindet sich seine Kraftquelle. Wenn du sie zerstörst, hast du ihn besiegt.
    Voller Entsetzen begriff Jana die verborgene Bedeutung von Alex’ Worten. Wenn die Kraftquelle des Nosferatu in der Säule steckte, hieß das, dass dort Alex’ Körper verborgen war.
    Genau. Es war, als hätte Alex ihren Gedanken hören können. Schieß mit Herus Bogen auf die Säule, dann ist der Nosferatu am Ende.
    Jana nickte, ohne den Nosferatu aus den Augen zu lassen. Dieser kämpfte weiterhin mit Alex’ Seele darum, in die Dunkelheit zu entkommen.
    Alex würde ihn nicht mehr lange zurückhalten können.
    Mit zitternden Händen nahm Jana den Bogen von der Schulter, zog einen Feuerpfeil aus dem Köcher und spannte ihn in den Bogen. Dann wandte sie sich der Säule zu und holte tief Luft. Wenn sie nicht danebenschießen wollte, musste sie sich beruhigen.
    Sie kniff ein Auge zu und kalkulierte mit dem anderen den genauen Punkt, an dem sie die Säule treffen wollte. Der in den Stein gemeißelte Ibis – darauf würde sie zielen.
    Indem sie sich maximal konzentrierte, gelang es ihr, die Hand so zu stabilisieren, dass sie nicht mehr zitterte.
    Drei, zwei, eins …
    Doch sie schoss nicht. In letzter Sekunde hinderte etwas sie daran. Sie sah zum Nosferatu, der sie mit angstverzerrter Miene anstarrte.
    Sofort wanderte ihr Blick zur Waage. Eine geheimnisvolle Kraft hatte sie ins Gleichgewicht gebracht. Jetzt schwebten die beiden Waagschalen auf genau derselben Höhe.
    Die Schatten der anderen Säulen des Tempels zeichneten sich wieder auf dem Boden ab und nahmen ihm etwas von seiner strahlenden Helligkeit. Einer dieser lang gestreckten Schatten zog sich direkt vor dem Nosferatu über den Steinboden. Alex konnte offensichtlich nicht verhindern, dass das Ungeheuer sich auf der Flucht vor dem Licht dorthin schleppte.
    Was war geschehen? Was hatte bewirkt, dass der Sarasvati-Saphir plötzlich wieder mehr Macht hatte und dadurch die Schatten einen Teil des verlorenen Terrains zurückeroberten?
    Hastig setzte Jana den Bogen an und zielte erneut auf die Säule. Sie

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