Iluminai - Das Zeichen der Drachenhüter (Iluminai - Kabal Shar) (German Edition)
leuchtendem Feuer erstrahlten und ihre Schönheit offenbarten. Treppen, die sich wie von Mondlicht beschienen nach unten schraubten. Schimmernde Torbögen, im Licht schwimmende Pavillons, mit glitzernden Rosen überwucherte Fensterrahmen, hinter denen die feinen Gemächer einer einstigen Prinzessin aufflackerten.
Die drei Flüchtenden betrachteten mit kindlichem Staunen dieses ungewöhnliche Schauspiel und schwiegen vor Verblüffung. Keiner sagte ein Wort, und Jonkanur versuchte so lautlos wie nur möglich zu fliegen, um die märchenhafte Geisterwelt, die sich ihnen in dieser ewigen Finsternis offenbarte, nicht zu stören.
Es dauerte nur eine kurze Weile, bis Aribanai vor ihnen auftauchte. Seine zaghafte Beleuchtung wirkte schal gegenüber dem Feuerwerk, das dem Drachen folgte. Weiter links von ihnen war immer noch der strahlende Turm zu sehen, den Miray zum Leben erweckt hatte. Wie eine funkelnde Säule aus purem Licht, ragte er bis in den Sternenhimmel über der Grube empor.
Als die Landeplattform vor ihnen ins Sichtfeld geriet, erstrahlte auch diese in blendendem Licht. Jonkanur brauchte sich diesmal bei der Landung nicht anzustrengen. Erst als er aufgesetzt hatte und die Flügel zusammenfaltete, nahm Miray das Amulett vom Hals. Und die strengen Gesichter der heraneilenden Lichtfeen versanken in Finsternis.
*
Weit unten, in den Eingeweiden der Toten Stadt, stand Estarius immer noch vor dem Altar, vor dem sich die Gesichtslosen zusammendrängten.
„Wir müssen uns einen anderen Platz suchen“, sagte er gerade zu den vier Hünen, die mit abgewandten Gesichtern dastanden.
„Gebt mir noch eine Chance“, bat Estarius, aber die vier rührten sich nicht. „Wir können es immer noch schaffen ...“
Von einem Geräusch aufgeschreckt, wirbelte der graue Elb herum und blickte in das strahlende Licht, das den Saal durchflutete. Genau hinter ihm bewegte sich etwas, aber Estarius vermochte nicht genau zu erkennen, was es war.
„Wer ist da?“, fragte er mit brüchiger Stimme.
Dann war es, als würde jemand einen Schleier beiseite ziehen, und auf einmal stand Faydon von Shidabayra vor dem Elb.
„Ihr?“, erkundigte sich Estarius ehrlich überrascht.
„Gilt Euer Angebot noch?“, wollte Fay wissen.
Sie hatte das Seidentuch an sich genommen, das Miro ihnen in Falgamond geschenkt hatte und war unerkannt auf Jonkanurs Rücken mit in die geheimen Gärten geflogen. Niemand hatte sie bemerkt. Keiner hatte sie wahrgenommen.
„Natürlich“, entgegnete Estarius misstrauisch.
Fay hob ihre rechte Hand, an der man das Zeichen der Drachenhüter aufleuchten sah. „Dann habt Ihr nun wieder eine Quelle, die Euch am Leben erhält“, sagte die Prinzessin.
Die vier Gesichtslosen erholten sich sehr plötzlich aus ihrer Starre und traten mit raschelnden Mänteln heran. Fay huschte ein unangenehmer Schauer über den Rücken, als sie ihre sinnlosen Gesichter vor sich sah.
36. Unerwarteter Besuch
Miro von Usonday, Drago Gari und Barbadur der Geiger, rannten nicht weit von Yrismin durch den Wald. Um sie herum standen die Drachenbäume mit ihren gigantischen Kronen und wirkten stumm und unberührt.
Hin und wieder blieb Miro stehen und legte ihr Ohr an den duftenden Stamm eines der Bäume. Dann verharrten Drago und Barbadur still und warteten, während sie die Umgebung rundum im Auge behielten. Das Wetter war durchwachsen. Ein frostiger Wind wehte von Norden durch den Wald von Ayn, und das hohe Gras war von kaltem Tau befeuchtet. Barbadur fror und dachte an seine warme Kammer und die Schnapsflasche zuhause in Yrismin.
Er wusste selbst nicht genau, warum er sich von den anderen beiden dazu hatte überreden lassen, Dragos irrwitzigen Plan in die Tat umzusetzen.
„Mir ist kalt“, beschwerte er sich und rubbelte seine Oberarme. „Wie lange dauert das denn noch?“
„Ich muss wissen, ob sie noch leben“, erklärte Miro und wandte sich zu dem Geigenspieler um, als müsse sie einem Kleinkind erklären, warum sie nachhause gehen mussten, wenn es dunkel wurde.
„Die Bäume sehen hier alle ziemlich lebendig aus“, entgegnete Barbadur unwirsch. „Keiner hier ist abgestorben oder von irgendwelchen Krankheiten befallen.“
„Das kannst du nicht entscheiden“, erwiderte die Heilerin mit ruhiger Stimme.
Weitere Kostenlose Bücher