Iluminai - Das Zeichen der Drachenhüter (Iluminai - Kabal Shar) (German Edition)
noch selbst einen Drachen besessen hatte, hatte er es oft an ihm bemerkt. Immer wenn die Drachen sich aufregten, oder Feuer spien, begann das innere Feuer durch die Ritzen der Drachenschuppen zu funkeln. Und dort unten, im Wald von Ayn, war nun dasselbe Glühen zu erkennen.
Er machte die anderen nicht darauf aufmerksam. Wenn alles funktionierte, dann würde das auch nicht nötig sein. Und wenn er mit einem Wort oder einer Handbewegung die Prozedur störte, würden die Drachen vielleicht für immer in ihre Erstarrung zurückfallen und nie wieder erwachen.
Stumm blickte der Geigenspieler in den Wald hinunter und spürte bald, wie ihm ein angenehmer Schauer über den Rücken lief. Immer mehr rote Lichter blinkten zwischen den schwarzen Baumstämmen auf. Ganze Bäume leuchteten von der Wurzel bis zur Krone in sanftem Licht. Barbadur bemerkte, wie Drago neben ihm erschauerte. Sie vollbrachten etwas, das noch nie zuvor irgendjemand geschafft hatte, und das Verrückte daran war, es wurde tatsächlich Wirklichkeit.
„Brian, Bulai, Byzin, …“, las Miro von Usonday unbeirrbar weiter, obwohl auch ihre Stimme zu zittern begann. Sie durfte keine Pause machen, um die Erweckung nicht zu unterbrechen. Eine Aufgabe, die starke Nerven verlangte und einige Stunden in Anspruch nehmen würde.
Barbadur atmete regelmäßig und langsam ein und aus. Er musste versuchen, ruhig zu bleiben und sich zu entspannen.
Kaum eine Minute später erklang nicht weit von ihrem Standpunkt entfernt ein lautes Rascheln, und einer der Bäume, die bereits von rötlichen Linien überzogen waren, bewegte sich. Es sah aus, als würde er die Äste mit den großen Blättern ausbreiten und sich dann in die Luft erheben. Weite Drachenflügel falteten sich auseinander, und gleich darauf konnten die Magier einen schlanken Drachen, mit einem großen Hornkamm auf dem filigranen Kopf, über die Kuppe des Hügels hinwegfliegen sehen.
Es blieb nicht bei diesem einen. Der ganze Wald geriet in Bewegung. Dann erwachten die Drachen nacheinander und stiegen in die Luft auf. Die Dunkelheit und der Schneefall minderte die Sicht, aber es war wie ein Tanz, den die neu erweckten Schuppenwesen über dem Wald von Ayn aufführten, während sie in die Luft stiegen und in einer dichten Formation in den Himmel hinauf verschwanden.
41. Ankunft in Kutraija
Furchtbare Angst stieg in Miray auf, als der himmlische Hafen Kutraijas, kurz nach Mittag des nächsten Tages, langsam näher kam. Er ahnte, dass die Grauen Hexer jeden Moment auftauchen konnten. Er hatte Angst vor ihnen und am meisten vor den Gesichtslosen und Estarius.
Miray wusste, er war dem grauen Elb nicht ebenbürtig. Vielleicht war es das Iluminai, vielleicht auch das Herz, das Estarius ihm geschenkt hatte. Er selbst jedoch war es nicht. Am liebsten hätte er sich versteckt, oder einfach in einer Ecke verkrochen, auch wenn der Gedanke sinnlos und kindisch war.
Als er mit Andamar in den Wäldern von Yspiria unterwegs gewesen war, hatte er gedacht, irgendwo in Faranjoma als einfacher Arbeiter glücklich werden zu können, wenn er nur weit genug von König Effèlan entfernt war.
Zum heutigen Zeitpunkt wusste er jedoch, dass es kein Zurück mehr für ihn gab. Er würde nicht nach Faranjoma gehen und auch nicht nach Shidabayra. Er würde weder unentdeckt in einer kleinen Stadt leben, noch Tahuts Erbe antreten, so wie Fay das wohl gedacht hatte.
Alles, was ihm zu tun übrig blieb, war eine Entscheidung zu fällen.
Die Möglichkeiten waren beide nicht sehr verlockend. Es war ihm bewusst, dass er den Grauen Hexern nicht entkommen und sie auch nicht besiegen konnte. Aber sein Herz anhalten zu lassen, war beinahe genauso entsetzlich. Wäre er nicht wie tot? Diese Frage bekam er nicht mehr aus dem Kopf. Wenn er über hundert Jahre lang schlief, was würde mit ihm geschehen? Alles um ihn herum würde sich verändern. Wenn er erwachte, würde er nichts wiedererkennen. Außerdem konnte er nicht wissen, was unterdessen mit ihm geschah. Wer würde sich um seinen Verbleib kümmern?
Der Hafen diesseits der Berge besaß ein anderes Erscheinungsbild, als der, von dem aus sie aufgebrochen waren. Dieser hier hatte keinen Turm, und er war aus schwarzem Gestein gemeißelt worden, so wie die Klippen, auf dem er thronte. Darunter ging es tief in die Schluchten hinunter. Dieselben Schluchten, aus denen noch vor wenigen Stunden die
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