Iluminai - Das Zeichen der Drachenhüter (Iluminai - Kabal Shar) (German Edition)
zwinkerte Fay mit einem Auge zu. „Und jetzt lass mich einmal sehen, wohin euch eure Reise noch führen wird.“
Sie hielt im Mischen der Karten inne und begann sie mit überaus flinken Bewegungen auf der mit Schründen und Rillen versehenen Platte des Wirtshaustisches zu verteilen.
Es mussten sehr teure Karten sein, denn sie waren aus dünnen Elfenholzplättchen gefertigt und mit schimmernden Farben bemalt. Darauf waren reichgekleidete Herrschaften zu sehen. Prinzessinnen, Prinzen, Könige, Königinnen, Herzoge und Fürstinnen. Auf anderen Karten sah man Einhörner, Hirsche, Burgen, Schlösser, Türme und vieles mehr. Von feinen Pinselstrichen auf kunstvolle Art und Weise zum Leben erweckt.
Noch während Miro die Karten auf dem Tisch verteilte, bildete sich eine steile Falte auf ihrer Stirn, und sie schüttelte sacht den Kopf.
Lucy blickte mit der Begeisterung eines Kindes, das soeben ein neues Spielzeug entdeckt hatte, auf die Karten nieder. Aber die dunkelhaarige Prinzessin war schon immer für zauberhafte Dinge zu haben gewesen, wie sich Fay nur all zu gut erinnerte.
Eine der Karten löste sich aus Miros Händen und fiel genau vor Fay auf den Tisch. Alle drei blickten erschrocken darauf nieder. Auf der Karte war ein blaues Seidentuch mit aufwendiger Faltung abgebildet. Es schmiegte sich an einen Felsen und darauf lag ein schimmerndes Silberschwert, dessen Knauf von Rubinen und Smaragden nur so glänzte.
„Oho“, machte die Heilerin und warf Fay ein schelmisches Grinsen zu. „Wie mir scheint, haben wir hier eine kleine Ritterin. Aber das hast du ja gestern Nacht bereits bewiesen.“
Fay wurde rot und schob die Karte rasch zu den anderen in die Reihe.
„Die Karten lügen nicht“, behauptete Miro kühn und saß nun vor dem ausgebreiteten Blatt wie vor einem großen Kunstwerk, in dem ihrer aller Leben ruhen sollte.
„Eure Absichten sind nicht ehrbar“, rückte Miro mit der Wahrheit heraus, und nun war es an Lucy, rot zu werden. „Was ihr beiden vorhabt, hätte eurer Mutter nicht gefallen.“
Fay rollte mit den Augen.
„Ihr werdet es natürlich trotzdem tun“, fuhr die Heilerin ungerührt fort. „Ich glaube nicht, dass euch jemand davon abhalten könnte. Es ist auch wirklich ein Jammer, dass Nyasinta so früh sterben musste und euch nicht auf einen Weg führen konnte, der für euch Kinder einfacher gewesen wäre.“
Miro sah die Zwillinge mit gerunzelter Stirn an.
„Und ... und wie wird unsere Reise verlaufen?“, wollte Lucy zaghaft wissen.
„Jedenfalls nicht ohne Abenteuer, wenn du das meinst“, entgegnete die Heilerin. „Da kommen einige schwierige Dinge auf euch zu. Und das hier ...“, sie deutete auf eine Karte, auf der man einen, in feinste Seide gekleideten, blonden Prinzen sehen konnte, der zwei schwarze Windhunde an der Leine führte, „ist also euer Bruder.“
„Woher wisst Ihr davon!“, fuhr Fay die Heilerin an. „Ich habe Euch nichts erzählt.“ Sie warf Lucy einen strengen Blick zu.
„Ich ... ich habe ihr auch nichts erzählt ...“, stammelte diese.
Miro lächelte hintergründig.
„Er ist nicht ganz einfach, der Prinz von Effèlan“, fuhr sie unbeeindruckt fort und strich mit den Fingern wie suchend über die Karten. „Er ist kein Ritter, sondern eher ein Künstler. Er dient Effèlan, aber nicht aus freien Stücken. Er weiß nichts von seiner Mutter, seinem Vater und seinen Schwestern. Er wird euch nicht sofort vertrauen. Vielleicht will er euch nicht einmal glauben.“
„Das wissen wir auch ohne Eure Karten“, entgegnete Fay spitz.
„Aber ...“, sagte Miro und ihre Stimme wurde weicher. „Was sehe ich da ... sein Herz ... das Elbenherz ...“ Sie runzelte die Stirn.
„Was meint Ihr damit?“, wollte Lucy wissen.
„Das kann ich euch nicht sagen“, antwortet Miro auf einmal erstaunlich schroff. „Eure Mutter würde wollen, dass ihr es selbst herausfindet. Ich kann euch nur so viel offenbaren, dass ihr ihm vertrauen könnt, aber nicht gleich von Anfang an. Es wird euch nichts geschehen. Auf keine von beiden wartet der Tod. Ihr werdet alles so tun, wie ihr es beschlossen habt. Nein, ihr sollt es sogar tun, und dann werdet ihr uns alle retten ...“
Mit diesen letzten und schicksalsträchtigen Worten, sammelte die Heilerin von Usonday ihre Goldrandkarten wieder zusammen und ließ sie unter ihrem löchrigen Mantel verschwinden.
Die Prinzessinnen beobachteten sie dabei staunend.
„Und nun holt eure Pferde. Die Stadtwache ist bereits hierher
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