Im Abgrund der Ewigkeit
meinen ausdrücklichen Rat!“ Die Ärztin prüfte, ob der Infusionsschlauch noch sicher in meiner Vene saß. „Und seitdem er diesen Rollator hat“, fuhr sie fort, „rennt er damit draußen im Hof herum und stört den gesamten Betrieb!“
Eine Welle der Erleichterung erfasste mich und ich fand den Mut, das zu fragen, wovor ich mich am meisten fürchtete. „Was ist mit Asmodeo?“, flüsterte ich.
„Der Blonde?“ Die Ärztin wandte sich ab und Gerti ergriff meine Hand, um sie fest gegen ihre Brust zu drücken. Das Piepsen der Überwachungsgeräte wurde schlagartig lauter.
„Zwei Mönche haben ihn, oder das, was von ihm übrig war, vor vier Tagen zu mir in den OP geschleppt“, sagte Frau Dr. Naumann.
„War er noch am Leben?“, fragte ich leise.
„Wenn man das Leben nennen will... Er war über und über mit Brandwunden bedeckt. Ich habe ihn operiert …und ich bin ein Genie, aber das weißt du… und ich glaube, ich habe ihn gerettet.“
„Sie glauben ?“
„Na, eigentlich bin ich mir recht sicher. Aber er hat noch entsetzliche Schmerzen. Deswegen habe ich ihn ebenfalls ruhiggestellt. Er liegt dort drüben, im Zimmer des Abtes. Wenn du nach links schaust, kannst du beide sehen.“
Ich zwang mich, meinen Kopf in die Richtung zu drehen, in die die Ärztin gedeutet hatte. Ich sah einen alten zerbrechlichen Mann auf einem Krankenbett. Daneben befand sich ein Sauerstoffzelt. Und darunter konnte ich die Umrisse eines teilweise bandagierten zweiten Mannes erkennen.
Ich schluckte ein paar Mal und fragte dann: „Die Brandwunden werden heilen?“
„Davon gehe ich einmal aus. Aber seine Netzhaut hat sich teilweise abgelöst. Auch das habe ich operiert. Der Blonde wird die nächste Zeit strikte Ruhe brauchen. Bis dahin ist er absolut blind.“
„Blind?“, wiederholte ich.
„Mindestens fünf, vermutlich sechs Wochen darf er den Verband nicht abnehmen. Und dann werden wir sehen, ob ich Erfolg hatte. Sollte er sich nicht an meine Anweisung halten, verliert er sein Augenlicht für immer.“
„Nein, nein“, sagte ich. „Ich werde schon dafür sorgen, dass er sich an Ihre Vorgaben hält.“
„Na, bei eurem Lebenswandel wäre das wirklich ein Wunder. Ich weiß ja nicht, wo sich der Blonde diese Verletzungen zugezogen hat und ich will es auch gar nicht wissen. Aber sorge du dafür, dass er derartige Exkursionen nicht mehr unternimmt – zumindest in nächster Zeit nicht.“
„Nie mehr!“, flüsterte ich. „Das war eine einmalige Aktion.“
„Hoffen wir es mal!“, sagte die Ärztin und ließ es wie eine Drohung klingen. „Und wenn wir schon dabei sind: rede bei Gelegenheit auch einmal ein ernstes Wort mit unserem Franz! Der benimmt sich noch schlimmer als sein Neffe Johannes. Obwohl ich ihm strikte Ruhe verordnet hatte, gab er seiner senilen Bettflucht nach und hat sich doch tatsächlich mit zwei seiner Mönchskomplizen irgendwohin verdrückt, um ebenfalls den Helden zu spielen, wie ich vermute!“ Die Ärztin hatte sich in Rage geredet. „Halb tot haben sie ihn mir wieder angeschleppt! Aber der ist keine zwanzig mehr! Der ist schon alt! Uralt! Er hat einen Rückschlag erlitten. Und was für einen! Schau ihn dir an, Lilith! Sein Blutdruck ist im Keller, sein Puls rast und seine Körpertemperatur liegt bei über neununddreißig Grad. Wenn ich Marga nicht hätte, die ihn rund um die Uhr versorgt, würde ich sofort kündigen!“
„Danke“, sagte ich leise. Das Gespräch hatte mich angestrengt. Die Müdigkeit drückte mir die Lider nach unten.
„Sie muss jetzt schlafen“, sagte Gerti.
„Natürlich“, erwiderte Frau Dr. Naumann. „Meine Patienten schlafen und ich muss arbeiten!“
„Schläft Asmodeo auch?“, fragte ich.
Die Ärztin nickte. „Ganz sicher, meine Kleine. Tief und fest.“
Ich schloss die Augen. „Wenn du wieder aufwachst“, hörte ich Gerti sagen, „werden deine Tanten auch hier sein. Und natürlich Johannes. Vielleicht sogar Mozart, wenn es Frau Dr. Naumann kurz erlaubt. Und dann wird es nicht mehr lange dauern, bis du wieder ganz gesund bist.“
„Ja“, flüsterte ich. „Ich gehe wieder mit dir nach Hause, zu meinem Garten und zu meinen Schmetterlingen.“
„Komm mit, Gerti!“, sagte Frau Dr. Naumann. „Lassen wir sie in Ruhe. Sie braucht ihren Schlaf.“
Innerlich musste ich lächeln. Natürlich würde ich schlafen. Und auch träumen. Und im Traum würde ich Asmodeo besuchen. Noirmoutier musste um diese Jahreszeit einfach himmlisch sein. Mal sehen, ob er
Weitere Kostenlose Bücher