Im Abgrund der Ewigkeit
Lust hatte, mit mir dorthin zu gehen…
Kapitel 16 – Marga
1
M arga saß alleine bei dem Abt. Draußen vor den Fenstern herrschte tiefe Dunkelheit. Nichts bewegte sich im Kloster. Alles schlief. Nur sie nicht.
Sie faltete das Frotteetuch zusammen und tupfte zum wiederholten Male Schweiß von der Stirn des Abtes. Er bewegte sich unruhig. Sein Gesicht war vom Fieber gerötet.
Marga mochte diese stillen Stunden in der Nacht. Niemand störte sie, sie musste sich nicht verstellen und sie hatte die absolute Kontrolle über alle Kranken.
Wie immer hatte Gerti Glück gehabt. Ihre falsche Enkeltochter war zu ihr zurückgekehrt – mit dem stinkreichen Liebhaber im Schlepptau, der nahezu unversehrt geblieben war. Selbst der dämonische Bettgenosse des verdorbenen rothaarigen Luders hatte es geschafft, wieder hier aufzutauchen. Sie richtete ihren Blick auf das Sauerstoffzelt. Dieser verfluchte Dämon Asmodeo erlitt zwar gerade fürchterliche Schmerzen, aber er war immer noch am Leben. Was für eine Ungerechtigkeit!
Und der Abt, den sie vorgab, fürsorglich zu pflegen, hatte diese gesamte Dämonenbrut bei ihrem widernatürlichen Tun unterstützt. Wie gerne hätte Marga ihm ein Kissen auf das Gesicht gedrückt, um ihn langsam und qualvoll zu ersticken. Aber noch war sie nicht so weit – wobei die Betonung eindeutig auf dem Noch lag.
Franz sprach häufig im Fiebertraum. Anfänglich nur Belanglosigkeiten. Blödes theologisches Gefasel über Schuld, Sühne und Vergebung. Aber in den letzten Stunden hatte sich der Inhalt seiner Worte gewandelt. Das mochte daran liegen, dass sie ihm sein fiebersenkendes Medikament verweigert hatte. Marga kicherte unterdrückt. Sie hatte ihm seit zwei Tagen ein Placebo untergejubelt. Keiner hatte es gemerkt - nicht einmal diese hässliche Kuh von Ärztin, die ihre Seele für Geld an den Teufel Asmodeo verkauft hatte.
Margas kicherndes Gesicht verwandelte sich in eine böse Fratze. Alle unterschätzten sie. Alle hielten die Psychologin Marga für eine willige und dumme Helferin. Aber sie täuschten sich! Gewaltig!
Der Abt bewegte leise flüsternd die Lippen. Wieso konnte der alte Trottel nicht lauter reden?
Marga stand auf, beugte sich vor und legte ihren Kopf auf das Kissen, nur wenige Millimeter neben den Mund des Abtes. Und sie hörte, was er sprach. Er redete von einer uralten Prophezeiung. Von Liliths Aufgabe. Davon, dass Asmodeo und Johannes ihr helfen mussten, die große und erhabene Samael zu vernichten. …Und zuletzt – Marga glaubte fast, ihren Ohren nicht trauen zu können – zuletzt sagte er das, worauf sie all die Stunden, all die Tage gewartet hatte. Er verriet, wo sich das Pergament befand, auf dem diese Weissagung stand.
Wie elektrisiert wollte sich Marga erheben, in das Zimmer eilen, das Dokument stehlen, um es sofort zu Elisabeth zu bringen. Aber der Mund von Franz bewegte sich weiter. Er erzählte von den Toren, die die Dimensionen voneinander trennten. Und von dem Schlüssel, der diese Portale öffnete.
Marga unterdrückte nur mühsam einen triumphierenden Aufschrei. Bald würde Elisabeth über das Wissen verfügen, das sie benötigte, um mit diesem gesamten Pack hier fertig zu werden. Sie würde ihre Heerscharen aus der Hölle holen und wieder als unumschränkte gnädige Herrscherin regieren. Und sie, Marga, würde an ihrer rechten Seite sitzen.
Sorgsam strich Marga die feuchten Haare des Abtes nach hinten. Erneut musste sie den Impuls unterdrücken, ihre Hände um seine Kehle zu legen, um das Leben aus ihm herauszupressen, wie aus einer faulen Zitrone. Nicht jetzt! Sie durfte nicht auffallen! Das hatte bis später Zeit. Jetzt musste Wichtigeres getan werden.
Sie stellte die medizinischen Geräte ein, gab dem Abt endlich das fiebersenkende Mittel. Leise verließ sie die Klinik, huschte über den dunklen Klosterhof, bis zu den Privaträumen des Abtes. Sie wusste nun, wo sich das Pergament befand. In wenigen Stunden würde Samael das Dokument in ihren Händen halten. Und dann…, dann würde endlich die Gerechtigkeit siegen.
2
U ngeduldig wartete Marga darauf, dass ihr Cunningham die Tür öffnete. Sie trat ein und er legte ihr mit einer fürsorglichen Geste den Arm um die Schultern, um sie weiter in den Raum hineinzuführen. In Elisabeths Zimmer herrschte ein trübes Halbdunkel. Der Bildschirm eines Computers sowie eine heruntergedimmte Nachttischlampe stellten die einzigen Lichtquellen dar. Die prunkvollen Möbel, das goldverzierte
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