Im Abgrund der Ewigkeit
mich jetzt los. Auf der Stelle!“
Cunningham blieb stumm.
„Du elender Wurm, du stinkendes Stück Aas, öffne meine Fesseln! Sofort!“
„Nein“, meinte Cunningham leise und er schämte sich fast ein wenig dafür, dass er jede Sekunde dieser Macht, die er über sie besaß, insgeheim auskostete. „Wir wissen doch beide genau, was du dann tun wirst.“
„Charles!“ Elisabeths Stimme überschlug sich. Aus ihrem Kreischen wurde ein markerschütternder Schrei. „Lass mich endlich sterben! Hindere mich nicht länger daran, mich umzubringen! Ich kann so nicht weiterleben!“
Cunningham stellte das Essen auf die Marmorplatte des Nachttisches. Seine Hände hatten es berührt und klebten unangenehm. Aber er hatte vorgesorgt. Es war nicht das erste Mal, dass ihm das passierte. Cunningham zog eines seiner Taschentücher aus der Jacke und wischte sich sorgfältig die Finger sauber.
Elisabeth hatte sich halb aufgerichtet, sie zerrte an den Ketten, stöhnte und keuchte. „Lass mich!“, wiederholte sie. „Lass mich ein Ende machen! Lass mich sterben, damit ich mir einen neuen Körper suchen kann!“
Cunningham ergriff ihre Schultern und drückte sie sanft, aber mit Bestimmtheit, zurück in ihre Kissen. „Elisabeth“, sagte er. „Samael, beruhige dich!“
Als Antwort ertönte ein langgezogenes, unartikuliertes Stöhnen. Elisabeth drehte ihren Kopf zur Seite und presste ihn tief ins Bettzeug.
„Elisabeth!“, flehte Cunningham. „Erinnere dich. Wenn du jetzt deinen Körper verlässt, wird es längere Zeit dauern, bis du in einem neuen Wirt zurückkommst. Die Gefahr ist zu groß, dass Lilith ihr Ziel bis dahin erreicht und wir für weitere dreitausend Jahre verloren haben.“
Elisabeth schrie schrill auf, warf sich hin und her, zerrte an ihren Fesseln. Das schwere Eichenholz, an dem sie befestigt waren, ächzte.
„Ich verfluche dich, Charles. Dich und alle Menschen! Ihr seid verabscheuungswürdiges Gewürm. Eine jämmerliche Brut verwester Leiber.“
Cunningham griff nach ihr, spürte ihre starke Gegenwehr und drückte sie abermals mit aller Kraft ins Bett zurück. „Ich habe es dir versprochen, Elisabeth. Bei meiner Seele habe ich dir geschworen, dass ich es nicht zulassen werde, dass du dir etwas antust. Wir wollen uns doch an Lilith rächen. An Lilith und diesem verräterischen Hund Asmodeo.“
Elisabeth wurde ruhiger. Ihre Widerstandskraft erlahmte.
„Meine Geliebte, es bricht mir das Herz, dich so zu sehen. Aber denke an unseren größten Wunsch. Wir müssen doch das Tor zur Hölle aufstoßen, damit du mit deiner Familie vereint bist. Und dafür bleibt uns nicht mehr viel Zeit. Wenn du jetzt gehst, schaffst du es vermutlich nicht mehr rechtzeitig zurück. Und dann musst du erneut Jahrtausende warten, bis sich eine neue Chance ergibt.“
Elisabeth wurde still. Regungslos. Nur ihr stoßweise zischender Atem erinnerte daran, dass sie sich bis vor wenigen Augenblicken wie eine Wahnsinnige gebärdet hatte.
„Mein Augenstern. Du bist nicht wie Asmodeo. Du bist deinem Bruder zwar in jeder Beziehung überlegen, aber du konntest noch nie in die Vergangenheit reisen, so wie er das vermag.“
„Asmodeo! Mein Bruder!“ Elisabeth spuckte verächtlich aus. „Dieses widerliche Schwein! Er hat mir alles zerstört. Er und diese rothaarige Schlampe. Er wird mit ihr untergehen, dafür werde ich sorgen! Und wenn es das Letzte ist, was ich machen kann!“
Cunningham holte erleichtert Atem. „Gut! Denke an deine Rache! Sie wird dir die nötige Kraft geben, durchzustehen, was durchgestanden werden muss. …Ich habe dein Essen so zubereitet, wie du es als Rabe mochtest.“
„Ist es frisch?“, fragte sie nach kurzem Zögern.
„Ja, natürlich, meine Liebe.“
Cunningham zog den Kopfteil ihres Bettes in eine höhere Position, strich ihr zärtlich die schweißnassen Haare aus der Stirn. Sollte er dabei aus Versehen eine ihrer Wunden berührt haben, so zuckte sie nicht.
Er öffnete die Schublade des Nachttisches, holte einen Latz aus ägyptischer Baumwolle hervor und legte ihn ihr vorsichtig um Hals und Oberkörper. Dann griff er sich den Teller, setzte sich bequem zurecht und langte mit seinen Fingern in das handwarme Essen. Er formte einen kleinen klebrigen Ball und begann, sie vorsichtig zu füttern. Gehorsam öffnete sie die Lippen, saugte an seinen Fingern, bis die Nahrung in ihrem Mund verschwand.
Er wiederholte den Vorgang mehr als zwei Dutzend Mal. Mitunter fiel es ihm schwer, die mundgerechten
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