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Im Antlitz des Herrn

Im Antlitz des Herrn

Titel: Im Antlitz des Herrn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Béla Bolten
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seine Ausführungen beendet hatte, herrschte im Raum eine nur vom rhythmischen Ticken der Standuhr unterbrochene Stille. Keine wusste, was er sagen sollte, bis Henderson von seinem Platz aufsprang.
    «Diese Schweine. Dafür werden sie büßen!»
    Er ging Richtung Tür, drehte sich aber noch einmal um.
    «Ich hoffe, jeder hat den Ernst der Lage begriffen. Und von jetzt an keine Extravaganzen mehr. Als ob unsere Küche nicht gut genug wäre.»

Vier Tage vor der Auferstehung
     
     
    Henderson wollte nicht ans Telefon gehen, als ein Mitarbeiter der Telefonzentrale einen Anrufer meldete, der partout seinen Namen nicht nannte. Hinter der Anonymität verbargen sich meistens Spinner. Heute aber hatte er viel zu gute Laune, der Druck auf das Team zeigte Wirkung, und sie waren in den letzten Tagen wunderbar vorangekommen. Also ließ er das Gespräch durchstellen.
    «Guten Tag, Mr. Henderson. Ich weiß nicht, ob Sie mich erkennen?»
    Henderson erschauerte. Unter Tausenden hätte er diese Stimme herausgehört. Dieser Mann sprach viel zu hoch für die Würde des Amtes. Fast wie ein Kind. Außerdem wirkte seine Modulation bei offiziellen Anlässen gekünstelt, als versuchte er, sie bewusst einzusetzen. Jetzt am Telefon allerdings klang der Papst, als riefe er einen alten Freund an.
    «Aber natürlich, Heiliger Vater.»
    Henderson ärgerte sich augenblicklich über seine unterwürfige Antwort. Wieso sprach er ihn mit diesem albernen Titel an?
    «Gut. Dann können wir gleich zur Sache kommen. Sie arbeiten an einer Sache, deren Ergebnisse uns interessieren.»
    «Kann ich mir denken», brummte Henderson, der sich bemühte, ruhig und sachlich zu klingen. In Wirklichkeit versagten ihm fast die Knie, und er hatte sich setzen müssen.
    «Ich möchte Ihnen ein Kooperationsangebot machen.»
    Ein Lächeln breitete sich auf Hendersons Gesicht aus. Hatte er es nicht gesagt! Die Pfaffen waren einfach zu leicht zu durchschauen. Sie besaßen immer nur das gleiche Arsenal an Möglichkeiten, da nützte auch das viele Geld nichts, das sie mit ihren Taschenspielertricks verdienten. Verdient hatten, genauer gesagt, denn schon bald würde es in seine Tasche fließen.
    «Kommen Sie doch vorbei. Ich denke, Sie kennen meine Büroadresse.»
    «Leider bin ich im Moment unabkömmlich.»
    Henderson lächelte.
    «Sie werden verstehen, dass ich leider auch nicht nach Rom kommen kann. Mich halten hochinteressante Forschungen derzeit in London.»
    «In diesem Falle schlage ich vor, dass ich einen Unterhändler mit meinem Angebot schicke. Wenn Sie vor der Veröffentlichung von Ergebnissen einem Vertreter der Kirche die Anwesenheit bei Ihren Untersuchungen gestatten, würde das von der Öffentlichkeit sicherlich als vertrauensbildende Maßnahme gutgeheißen.»
    Da war sie wieder, diese affektierte Stimme. Jetzt kam der wichtige Teil des Gesprächs, und den las er vermutlich ab. So, wie jeder Priester die tausendmal gesprochenen Wandlungsworte aus der aufgeschlagenen Bibel las, obwohl er sie auswendig kannte.
    «Damit Sie sicher sind, dass wir Ihnen keinen Spion unterschieben wollen, haben wir einen Pfarrer unserer Kirche ausgesucht. Thomas Engel.»
    Der Papst machte eine kleine Pause, und Henderson hörte das Rascheln von Papier. Jetzt legte er den ausgearbeiteten Text zur Seite. Tatsächlich fuhr er sanft und mit natürlichem Tonfall fort:
    «Kennen Sie den Bruder Ihres wissenschaftlichen Leiters?»
    Was für clevere Jungs. Henderson war für einen Moment sprachlos. Sie schickten ihm keinen ausgebufften Agenten, weil sie wussten, dass er einen Unbekannten ohnehin abgelehnt und auf Zusendung der Nachricht des Vatikans auf dem Postweg bestanden hätte.
    Stattdessen boten sie einen kleinen Dorfpfarrer auf, der zudem der Bruder seines wichtigsten Mitarbeiters war, was sie auf einen Vertrauensvorschuss hoffen ließ. Sein erster Impuls war, Thomas Engel als Überbringer der Botschaft abzulehnen. Die wollten schließlich etwas von ihm. Andererseits bekam man aus ihm vielleicht mehr heraus als aus einem Profi. Und außerdem konnte nur er in diesem Spiel gewinnen, auch wenn man das in Rom noch nicht wusste. Deshalb antwortete er fast beiläufig:
    «Nein, ich kenne ihn nicht. Aber das wird sich jetzt ändern.»
    Sie tauschten noch ein paar Höflichkeiten aus, dann beendete der Papst das Gespräch.
    Henderson lehnte sich zurück und spürte, dass sein Hemd klitschnass war. Der Papst hatte ihn angerufen. So groß war die Angst vor ihm. Der Tag war noch viel besser, als er

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