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Im Auftrag der Liebe

Im Auftrag der Liebe

Titel: Im Auftrag der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Webber
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der Nähe eines Baumes stehen blieb, um erst einmal zu verdauen, was hier alles vor sich ging.
    Es wirkte zunächst chaotisch, als ich so dastand, rief ein Mann mit Megafon jedoch Freiwillige zu sich, damit sie mit einem Schulbus zu anderen Stellen tief im Inneren des gut fünfzehn Quadratkilometer großen Parks fahren und dort die Suche fortsetzen konnten.
    Alle paar Minuten wurde ein Reporter in Scheinwerferlicht getaucht und hielt die Fernsehzuschauer über die Fortschritte der Suche auf dem Laufenden. Ich stand in der Nähe einer Journalistin, während sie dem Nachrichtensprecher ihre Neuigkeiten überbrachte.
    »Maxwell O’Brien wird jetzt bereits seit etwa zehn Stunden vermisst. Freiwillige haben bis zur Erschöpfung den Park nach Spuren des Vierjährigen abgesucht, der Max genannt wird. Erschwert wird die Suche durch die Größe des Parks, die vielen Trampelpfade, Tümpel und Sumpfgebiete. Hoffnung gibt uns die Tatsache, dass Max viele Möglichkeiten hatte, irgendwo Schutz zu suchen. Das Gelände gehörte während des Zweiten Weltkriegs dem Militär, und es stehen noch viele Gebäude, die früher als Munitionslager dienten.«
    Im Anschluss erläuterte sie die landschaftliche Struktur des Parks näher und wies auf die sinkenden Temperaturen und die wilden Tiere in der Gegend hin, darunter Füchse, Rotluchse und Kojoten, bevor sie endlich zu der wirklich interessanten Frage kam: ob der Vater nun schuldig war oder nicht.
    »John O’Brien, der Vater des Jungen, beantwortet zurzeit immer noch die Fragen der Polizei. Er wurde nicht angeklagt oder offiziell als Verdächtiger behandelt. Taucher suchen weiterhin den Stausee und verschiedene Gewässer ab. Die State Police setzt Such- und Rettungshunde ein. Die Mutter des Kindes, Katherine O’Brien, wartet verzweifelt auf ein Lebenszeichen ihres Sohnes.«
    In diesem Moment schwenkte die Kamera auf eine Gruppe direkt vor dem Eingang des Besucherzentrums um. Unter ihnen stand eine zarte Frau Anfang dreißig, deren leerer Blick in weite Ferne gerichtet zu sein schien.
    »Mrs O’Brien ist fest davon überzeugt, dass ihr Junge lebt und es ihm gut geht. Wir zeigen hier noch einmal ein Foto von ihm. Er ist vier Jahre alt, wiegt etwa zwanzig Kilo, hat blondes Haar und blaue Augen. Er trägt Jeans, ein dunkelblaues, langärmeliges T-Shirt und Nike-Turnschuhe. Sachdienliche Hinweise werden unter der eingeblendeten Nummer entgegengenommen. Die Polizei schließt eine Entführung nicht aus, halten Sie also die Augen auf!«
    Ich hörte nicht länger zu und konzentrierte mich stattdessen auf die Mutter des Jungen. Sie sah aus, als durchlebte sie gerade ihren schlimmsten Alptraum.
    Ich stand eine volle Minute da und beobachtete sie. Sie wirkte wie betäubt und verzog keine Miene, wenn sie sprach. Jeder Atemzug zeugte von ihrer Angst.
    Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, wie es war, sein Kind zu verlieren. Und dann auch noch unter solchen Umständen. Nicht zu wissen, ob der Mann, den man liebte, dafür verantwortlich war, oder ob der Junge sich in der Gewalt von Fremden befand oder ob er sich einfach verirrt hatte.
    Aber vor allem, nicht zu wissen, ob man ihn wiedersehen würde.
    Es brach mir das Herz.
    Ich dachte an Max’ Vater, der von den Behörden befragt wurde. War er unschuldig? Und wenn dem so war, welche Höllenqualen durchlitt er dann wohl gerade? Da doch jeder in Neuengland ihn für einen Kindermörder hielt? Was würde er sehen, wenn er seiner Frau in die Augen blickte? Würde sie zweifeln? Oder ihm vertrauen? Darauf vertrauen, dass er ihrem gemeinsamen Kind niemals wehtun würde?
    Wenn er jedoch schuldig war …
    Ich erschauderte. Schließlich zog ich mir die Handschuhe an und sah mich unter den Freiwilligen um. Frustration und Niedergeschlagenheit umfingen mich wie dichter Nebel. Mit meiner Fähigkeit sollte ich doch etwas mehr tun können, als im Gebüsch herumzuwühlen oder Styroporbecher mit Kaffee zu verteilen. Ich sollte dazu in der Lage sein, Katherine O’Briens Hand zu berühren und ihren Sohn zu finden. Ihn ihr wiederzubringen, in welcher Verfassung auch immer.
    Was war denn sonst der Sinn einer Gabe wie meiner? Ich konnte es einfach nicht begreifen.
    Meine Finger taten weh, weil ich sie zur Faust geballt hatte, und ich bewegte sie in den Handschuhen. Es brachte ja nichts, über das nachzugrübeln, was ich nicht konnte.
    Anstatt hier herumzustehen und damit genauso nutzlos zu sein, wie ich mich fühlte, machte ich mich auf den Weg zu der Gruppe, die auf

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