Im Auftrag der Lust
den Tag her.
Hunger hatte sie keinen und auch kaum Lust, Jared zu begegnen. Der Zwischenfall vom Vorabend lag ihr noch immer schwer im Magen, und sicherlich würde das nicht besser werden, indem sie in aller Seelenruhe mit Jared frühstückte, als wäre nichts gewesen. Er hatte sie früher schon immer leicht durchschauen können; wenn sie in einem derart desolaten Zustand vor ihm sitzen würde, würde er sie gleich durchschauen.
Sara ging hinaus und sah sich um. Weder von Jared noch von irgendeiner anderen Menschenseele war etwas zu sehen. Unschlüssig blieb Sara auf dem Flur stehen und konnte sich nicht recht entscheiden, wohin sie gehen sollte. Sie brauchte Ablenkung, etwas, das sie auf andere Gedanken brachte. Schließlich gab es dafür nur eine Lösung: Ihre Schritte führten sie hinauf in den Korridor der vielen Türen, auch wenn sie fürchten musste, dort auf Jared zu treffen. Daher zögerte sie mit ihrer Wahl einer Tür auch nicht – beherzt öffnete sie eine mit eingeritzten Herzen auf dem oberen Türrahmen und dem Wort »Spielzimmer«.
Rasch schloss sie die Tür hinter sich und sah sich plötzlich zwei Frauen gegenüber, die in einen innigen Kuss vertieft waren. »Oh«, entfuhr es Sara, als die beiden Frauen ihre Lippen voneinander lösten und sie überrascht, aber nicht abgeneigt musterten.
»Du bist Sara, stimmt’s?«, sagte die Jüngere von beiden und kam näher. Sie hatte ihre dunklen Haare in Korkenzieherlocken gelegt und trug ein langes Korsett in der Mode des Barock, das bis auf ihre Schamhöhe reichte und ihre Brüste hervorhob. Sie hatte ein niedliches Gesicht, mit herzförmigen Lippen und runden Wangen.
»Ja. Ich wollte euch nicht stören«, meinte Sara betreten.
Die Barockdame schüttelte den Kopf so heftig, dass ihre Locken nur so flogen, und lachte herzlich. »Keine Sorge, wenn wir uns gestört fühlen würden, hätten wir dich gleich wieder verscheucht, nicht wahr?« Die Bestätigung war an ihre Freundin gerichtet. Die trug einen androgyn geschnittenen Smoking und hatte fast ebenso wallende schwarze Locken wie Sara, die sie aber auf dem Oberkopf streng nach hinten gekämmt hatte. Erst im Nacken durfte die Lockenpracht sich wieder entfalten. Ihr Gesicht war schmal, ein wenig spröde, aber mit sinnlichen Lippen. Sie nickte. »Mein Name ist Estelle«, stellte sie sich vor und ergriff Saras Hand, aber nicht, um sie zu schütteln, sondern um einen sanft vibrierenden Kuss auf den Rücken zu setzen. Sara lächelte, die charmante Begrüßung gefiel ihr.
Estelle umfasste die Taille der jüngeren Frau und zog sie vertraulich an ihre Seite. »Das ist mein Augapfel Joline. Sag guten Tag, Schätzchen.«
Joline kicherte über das Spiel. »Guten Tag«, sagte sie artig in Saras Richtung und führte einen formvollendeten Knicks aus. Amüsiert deutete Sara eine Verbeugung an.
»Du bist sicherlich hierhergekommen, weil du Lust auf ein bisschen Spaß hast, oder?«, fragte Joline und ließ sich auf einer Couch nieder. Sie war mit violettem Samt bezogen und spiegelte den Farbton des gesamten Zimmers wider. Die Wände waren mit Stofftapeten bedeckt, in denen goldenen Fäden Muster in den violetten Grundton flochten. An den Wänden hingen zahlreiche ovale und rechteckige Spiegel in protzigen goldenen Rahmen. Neben der Couch waren die einzigen Möbel noch zwei Stühle und mehrere Glasvitrinen, in denen verschiedene Dildos und Vibratoren aus den unterschiedlichsten Materialien und den raffiniertesten Formen gekonnt ausgeleuchtet wurden.
Sara nickte zu Jolines Frage und näherte sich neugierig einer Vitrine, in der verschiedene Dildos aus Holz aufgereiht waren. Einige waren fast schwarz, mit eingesetzten erotischen Bildern aus Elfenbein, andere waren mit Bernstein durchzogen. Direkt darunter war ein Regal mit Glasdildos, die von der Form her von den »Echten« kaum zu unterscheiden waren. Nur ihre Durchsichtigkeit verriet sie.
»Deshalb also Spielzimmer«, sagte sie mehr zu sich selbst. Estelle stellte sich neben sie. »Nicht nur deshalb. Willst du mit uns spielen?«
Sara sah sie an und blickte in schelmische braune Augen. Sie las darin ein Versprechen von Lust und eine Möglichkeit, für einige Zeit alles zu vergessen, was sie quälte. In diesen Augen lag genau das, was sie suchte. »Warum nicht?«, erwiderte sie, und Estelle umfasste ihre Hand. Sie führte sie zu den beiden Stühlen, die wie in einem Theater vor der violetten Couch drapiert worden waren. Auf Estelles Geheiß sank Sara auf dem Stuhl
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