Im Auftrag der Rache
Stoßtruppen waren der Kavallerie gefolgt und kämpften im Lager. Wer immer sie waren, sie waren gut. Sparus beobachtete, wie sie in Gruppen gegen seine überraschten Truppen vorgingen und all jene Inseln der Ordnung vermieden, auf denen seine Offiziere den Männern Befehle zubrüllten und sie zu Formationen zusammenschlossen.
»Ist das ein Raubzug?«, fragte der junge Priester, der neben Sparus stehen blieb. Seine Augen waren verschwommen vor Müdigkeit. Es war Ché, Sascheens persönlicher Diplomat.
»Nein«, sagte Sparus und schaute nach Westen auf den Talboden, wo etliche Speerspitzen im Mondlicht glitzerten. Der Diplomat folgte seinem Blick und betrachtete stumm die Szenerie.
»Ist die Matriarchin schon aufgestanden?«, fragte Sparus einen seiner Diener, während sie ihm die Rüstung anlegten.
»Wohl kaum«, erwiderte der gehetzte Diener. »Sie hatte einen Schlaftrunk genommen. Einen schweren, wie es heißt.«
»Und Romano?«
Der Diener wollte gerade etwas erwidern, als ein Brüllen aus Romanos Zelt ertönte. Alle drehten sich um und sahen, wie ein Akolyt durch die Zeltklappe in den Schnee geworfen wurde und Romano nackt und mit wildem Blick hinter ihm nach draußen trat. In der Hand hielt er ein Kurzschwert. Der junge General taumelte in den Schnee hinaus und richtete sich auf. Er sah, wie Sparus seinen Kürass anlegte.
»Heute Nacht?«, rief er herüber. »Du liebe Güte, sagt mir, dass ich träume!«
»Das tut Ihr«, erwiderte Sparus langgezogen. »Das tun wir alle.«
Romano rieb sich die Augen und fluchte.
»Wo ist meine Rüstung?«, brüllte er und stolperte zurück in sein Zelt.
Erzgeneral Sparus zog den letzten Riemen seines Kürass fest und nahm die Beinschienen aus der Hand eines Sklaven entgegen. Er betrachtete erneut das Lager; die Flammen spiegelten sich hell in seinen Augen wider.
Sie greifen uns an, und zwar in der Nacht , dachte er.
Neben ihm sagte der Diplomat, ohne den Blick von der herannahenden Chartassa abzuwenden: »Diese Khosier haben Mut.«
Es war, als ob er die Gedanken des Generals gelesen hätte.
*
Als Oberst Halahan es bis zum Kamm der Hügelkette geschafft hatte, bot sich ihm ein Bild der Verzweiflung. Dort waren Infanteristen und Gewehrschützen des Reiches postiert, um die Mörser und deren Bemannung zu schützen, und sie lieferten einen harten Kampf.
Aus der Dunkelheit rannte ein Reichssoldat auf ihn zu und schrie sich dabei Mut zu. Halahan riss eine Pistole aus seinem Gurt. Er zog die Zündkapsel zurück, die gegen die mit Wasser und Schwarzpulver gefüllte Patrone schlagen würde, und zielte zwischen die Augen des Mannes. Er betätigte den Abzug und beobachtete, wie der Mann inmitten einer Blume aus Rauch zu Boden fiel. Die Hälfte seines Schädels fehlte.
Geistesabwesend lud er die Pistole wieder, entfernte die abgefeuerte Patrone, ersetzte sie durch eine neue und klappte den Mechanismus zu.
Er entdeckte einen weiteren Soldaten, der von links herbeilief, wo die Graujacken in ein Handgemenge verwickelt waren. Halahan feuerte abermals und verfehlte sein Ziel nicht.
Der Oberst beobachtete den Fortgang des Kampfes und entschied, dass der Ausgang noch nicht vorherzusehen war. Hinter ihm feuerte am Fuß des Hanges die Nachhut auf die Soldaten der Reichsarmee, die durch den Fluss auf sie zuliefen. Unbekümmert schaute er auf die schneebedeckte Ebene im Westen. Er sah das Glitzern von Stahl, das sich um einen kleinen Kern aus flackernden Fackeln zusammenballte. Es war die khosische Chartassa, die sich den Reichstruppen entgegenwarf.
Wieder lud er seine Pistole, auch wenn noch vier weitere in seinem Gürtel steckten. Er stand abwartend da und war trotz des hässlichen Gemetzels stolz auf die Männer unter seinem Kommando. Ihre Wut war deutlich an der Art zu erkennen, wie sie kämpften. Dies war für sie eine persönliche Angelegenheit. Sie hatten eine Rechnung zu begleichen, Familien zu rächen, Erinnerungen mit Hilfe der scharfen Seite des Schwertes zu löschen.
Doch allmählich wandte sich das Schlachtenglück zu ihrem Vorteil. Er bemerkte den Augenblick, in dem das geschah, und es war weder Erleichterung noch Überraschung, die er empfand, sondern nur einfache Ungeduld.
Als sich die wenigen verbliebenen Reichssoldaten zerstreuten, schritt er unter seinen Graujacken umher und sah den Medicos zu, wie sie an den Verwundeten arbeiteten. Ein Mann fluchte und kratzte an seinen geblendeten Augen herum, während seine Kameraden ihn davon abzuhalten versuchten. Ein
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