Im Auftrag der Rache
können.«
Glaub hob den Blick, wie alle anderen auch, als eine Explosion den Himmel östlich von ihnen erschütterte. Ein Luftschiff löste sich zu grellen Feuerbällen auf.
»Also gut«, rief Glaub. »Dann zieht euch geordnet zurück, aber haltet den Feind so lange wie möglich auf. Auf euch alle wird ein Boot warten.«
»Ist das ein Versprechen, General?«
Sie sahen einander einen Moment lang starr an. Beide waren wütend, beide wollten den anderen anschreien, weil sie ihre eigene Enttäuschung loswerden wollten. Aber dann wurde Glaubs Miene sanfter, und Halahan sah, dass er die Hand ausstreckte. Halahan ergriff sie und schüttelte sie heftig.
»Ich erwarte euch dort«, sagte der General zu ihm.
*
Es war offensichtlich, dass Principari Vanichios wusste, was Glaub sagen würde, noch bevor dieser den Mund aufgemacht hatte.
Glaub sagte es trotzdem. »Jetzt oder nie, alter Freund. Wir müssen gehen.«
Der Michinè legte die Hände gegen die Brustwehr und schaute über den südlichen Teil der Stadt. Von ihrer Position auf dem höchsten Turm der Zitadelle aus konnten sie das unter ihnen liegende Tume in seiner Gesamtheit sehen. Von den Straßen im Süden war knatterndes Gewehrfeuer zu hören. Einige Häuser brannten, und Rauchfahnen schwankten in der Brise, die aus Osten wehte. Soldaten strömten ungeordnet auf den Zentralkanal zu, auf dem sich die letzten Fähren zum Ablegen bereitmachten.
»Wirst du all deine Männer rechtzeitig evakuieren können?«, fragte Vanichios.
»Nein«, antwortete Glaub mit schwerem Herzen. »Einige sind im Südwesten eingeschlossen. Wir werden es nicht schaffen, zu ihnen durchzubrechen.«
»Und habt ihr genug Platz für den Rest?«
»Wir müssen improvisieren. Für dich und deine Männer reicht es noch, wenn du willst.«
Der Mann wandte den Blick von ihm ab. Flammen zuckten in seinen Augen. In dieser Angelegenheit gab es für ihn nichts mehr zu sagen.
Einen Moment lang dachte Glaub daran, seine langen und kräftigen Arme um Vanichios zu schlingen und ihn mit Gewalt aus seinem Stammhaus zu zerren. Aber das wäre würdelos, vor allem für diesen Mann. Er war ein Michinè. Ohne Würde war er nichts.
Im Osten tobte noch immer die Luftschlacht. Er sah, wie spuckendes Feuer die Ballons der Luftschiffe erhellte und sie Breitseiten aufeinander abfeuerten.
»Ich hätte nie geglaubt, dass ich so viel Angst haben könnte«, sagte Vanichios mit leiser Stimme.
Glaub zuckte zusammen. Er fühlte sich wie ein Verbrecher, weil er Vanichios zurücklassen musste.
»Lebe wohl, mein Bruder«, sagte er schließlich und legte ihm die Hand auf die Schulter.
Vanichios sah ihn nicht an, als er ging.
*
Asch zitterte unter den Laken. Vor seinen Augen schwammen farbige Phantome. Schon vor langer Zeit hatte er die Vorhänge vor das Schlafzimmerfenster gezogen, aber das Mondlicht, das am Rande einfiel, war noch immer zu viel für seine geschlossenen Augen. Er musste den Kopf bedeckt halten, hustete und spuckte im Fieber und hatte das Gefühl, als würde das Bett sich drehen.
Für ihn war das ferne Gewehrfeuer nichts anderes als Mais, der auf dem Feuer knallte. Er träumte von der Taverne in seinem Heimatdorf Asa, die von dem Feuer im Kamin gewärmt wurde. Darauf stand der schwarze Topf, um den sich Teeki kümmerte und in dem der Mais knackte und den rauchigen Raum mit seinem Duft erfüllte.
Er saß allein in einer Ecke und beobachtete seinen Stiefonkel mit einem Gefühl wachsenden Hasses.
Asch hatte den ganzen Abend dort gesessen und sich wie die alten Stammkunden allmählich mit Reiswein betrunken, der nächtlichen Flucht vor der Welt. Aber seine Sorgen hatten sich nicht verflüchtigt. Er wollte noch immer nicht nach Hause zu seiner jungen Frau, seinem Kind und all der Verantwortung zurückkehren, die sie für ihn darstellten.
An diesem Morgen hatten sie einen weiteren Zuchthund an die Schüttelkrankheit verloren. Asch hatte keine Ahnung, woher sie das Geld nehmen sollten, um einen neuen zu kaufen und überdies die alten Schulden zurückzuzahlen.
Je mehr er trank, desto mehr dachte er darüber nach, wegzulaufen und alles hinter sich zu lassen. Das war kaum das Leben, das er sich vorgestellt hatte, als er auf dem Hof der Familie aufgewachsen war und seinen Eltern dabei zugesehen hatte, wie sie sich krumm schufteten, um ihre stets steigenden Schulden und die Steuern bezahlen zu können. Asch hatte davon geträumt, allein loszuziehen, wenn er alt genug war, und sich seinen Le bensunterhalt als
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