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Im Auftrag der Rache

Im Auftrag der Rache

Titel: Im Auftrag der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Col Buchanan
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leid«, sagte Nico. »Ich wollte nicht neugierig sein.«
    Asch schob den Rücken gegen das Kopfteil des Bettes und spürte nun, dass das Kissen dort, wo sein Kopf gelegen hatte, feucht war.
    Langsam verblasste die Erinnerung, aber er roch noch immer den Mais.
    »Es war nicht so schwer, wie ihn zu verlieren«, keuchte er, und das Blut pochte in seinem Hals.
    »Du vermisst ihn.«
    »Ich denke jeden Tag an Lin. So wie ich an dich denke.«
    »Was denkst du?«
    »Von dir oder von meinem Sohn?«
    »Von deinem Sohn.«
    »Ach«, sagte Asch frustriert.
    Er verspürte das Bedürfnis, etwas zu trinken, aber er erinnerte sich, dass er den Wein, den er in der Küche gefunden hatte, bereits ausgetrunken hatte.
    »Ich denke an seine Augen, die wie die seiner Mutter waren. Ich denke daran, wie er sein Schleuderbrot an seine Freunde verteilt hat, als der Proviant auf der Reise ausging. Ich denke daran, wie er den Mädchen nachgejagt ist, bevor er wusste, warum er ihnen überhaupt nachjagt. Ich denke …« Er verstummte, denn er befand sich am Rand von etwas Waghalsigem.
    »Ich denke an seinen Tod«, flüsterte er.
    Asch sah ihn, als ob er sich wieder im Meer des Windes und des Grases befände. Er sah, wie der Staub aus Zundergras den Zusammenprall der Armeen einhüllte. Der Flügel von General Schin rückte hinter die Reihen des Leuchtenden Weges; er hatte die Revolutionäre Volksarmee für ein Vermögen in Diamanten verraten, gerade als der Sieg in Reichweite gelangt war.
    Ein Reiter preschte auf seinen Sohn zu und mähte den Jungen mit einem einzigen Hieb nieder. Hufe trampelten über seinen Körper, als ob er nur ein weggeworfener Kleidersack wäre.
    »Was ist?«, fragte Nico in die Stille hinein.
    Asch packte das Laken, auf dem er lag, mit den Fäusten, denn er brauchte etwas, woran er sich jetzt festhalten konnte.
    »Willst du mir selbst jetzt noch etwas verheimlichen?«
    Nein , dachte Asch. Ich will nur etwas vor mir selbst verheimlichen .
    Er schaute auf die schattenhafte Gestalt seines Lehrlings.
    »Ich habe ihn nicht geliebt«, ertönte seine brechende Stimme. »Zumindest eine Zeit lang habe ich geglaubt, ich würde ihn nicht wie meinen Sohn lieben.«
    »Du hast geglaubt, er wäre nicht dein Sohn.«
    Aschs Griff wurde fester. Er begriff, dass es kaum eine Rolle spielte, ob er seine Erinnerungen daran, wie er sich seinem Sohn gegenüber verhalten hatte, unterdrückte oder nicht. Es änderte nichts an seiner Lage; mit der Scham würde er immer leben müssen.
    »Nachdem ich gehört habe, was der Onkel meiner Frau gesagt hat, habe ich Lin sehr unfreundlich behandelt.«
    Unfreundlich , dachte er, als er sich selbst mit Abscheu zuhörte.
    Nein, er hatte sich dem Jungen gegenüber verhalten, als wäre er ein Bastard. Während der wenigen Jahre, die sie noch miteinander verbracht hatten, hatte Asch seinen Sohn mit kalter Gleichgültigkeit behandelt.
    »Es tut mir leid, Nico«, sagte er.
    »Was?«
    »Dass ich auch zu dir unfreundlich gewesen bin. Du warst mir egal. Ich bin in diesen Dingen nicht gut.«
    Die Gestalt beobachtete ihn und schwieg.
    »Bitte, ich bin müde«, sagte er zu ihr.
    Er legte sich wieder zurück, zog sich das Laken langsam über den Kopf und wartete, bis er wusste, dass Nico nicht mehr da war.
    *
    Die Fähren näherten sich hintereinander der Mündung des Chilos; die Strömung des Flusses und die kräftigen Ruderschläge brachen sie schnell durch das dunkle Wasser. Trommeln ertönten im Inneren der Schiffe; es waren langsame und stetige Schläge, die den Ruderern helfen sollten, schneller zu werden.
    Halahan stand im verstärkten, düsteren Steuerhaus am Heck eines der Schiffe neben General Glaub, der durch einen Spalt oberhalb des hölzernen Schutzschirms spähte. Hinter ihnen schwankten weitere Offiziere im Einklang mit dem schaukelnden Boot. Sie rochen nach Schweiß und sprachen wenig. Der Kriegsplauder o ¯ Koolas stand eingezwängt in der hinteren Ecke. Die Kapitänin, eine Frau mittleren Alters mit einer Pfeife im Mund, die der von Halahan glich, stand persönlich am Steuer und blinzelte ebenfalls durch den Spalt, während vor ihren Augen ein Paar geborgter Ferngläser hing. Die Stimmung war gedrückt. Keiner wusste, ob sie es hindurchschaffen würden.
    Die Kapitänin drehte heftig am Ruder. Das Boot regte sich sehr träge, da so viele Menschen das Wetterdeck und das Unterdeck bevölkerten.
    »Da sind wir«, murmelte sie, als sie in die Flussmündung einfuhren, und stampfte mit dem Stiefelabsatz dreimal auf

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