Im Auftrag der Rache
und legte sie über zwei Balken aus, damit sie einen Platz zum Sitzen hatten.
Schweigend warteten sie, während Staubflöckchen im Strahl des Sonnenlichts tanzten. Das wenige Wasser, das sie noch hatten, teilten sie unter sich auf. Keiner hatte etwas zu essen.
Ché stützte den Kopf in die Hände und bemitleidete sich selbst. Sein Kater schien noch schlimmer zu werden, falls das überhaupt möglich war. Er fühlte sich, als würde er sterben. »Wenn du noch vorhast, mich umzubringen, alter Mann«, sagte er, »dann rate ich dir, es jetzt zu versuchen.«
Der Farlander überraschte ihn mit einem Lächeln. »Was war es? Keratsch?«
Er nickte und erwiderte: »Er wurde mir aufgezwungen.«
»Du warst doch derjenige, der immer mehr haben wollte«, fuhr Löckchen ihn an.
Asch schnalzte mit der Zunge, als würde er zwei Kinder ermahnen. »Soweit ich weiß, bedeutet Keratsch auf Alt-Khosisch eine ernsthafte Kopfverletzung.«
»Ja«, meinte Ché, »das klingt einleuchtend.«
Der Farlander betrachtete Löckchen im Licht der einfallenden Sonnenstrahlen. »Du siehst ein bisschen zu jung für so etwas aus.«
»Ich bin siebzehn«, sagte sie forsch. »Alt genug für die meisten Dinge, meinst du nicht auch?«
Er schien ihr zuzustimmen. »Also, Löckchen, ich heiße Asch.« Er streckte die Hand aus. Zögerlich ergriff Löckchen sie.
Asch erhob sich, steckte den Kopf durch das Loch im Dach und stützte sich mit den Armen auf dem Rand ab. Ché durchsuchte sein Gepäck, bis er seinen Hohlstecken gefunden hatte. Er schüttete den Rest des Wassers aus seiner Flasche darüber und putzte sich die Zähne. »Wie geht es dir?«, fragte er Löckchen in der Hoffnung, das Eis zu durchbrechen.
»Ich würde den Stecken gern nach dir benutzen.«
»Wenn es dir nichts ausmacht«, sagte er und schaute hinüber zu Asch. »Irgendetwas Interessantes da draußen, alter Mann?«
Asch antwortete nichts. Er schien sich ganz auf etwas in der Ferne zu konzentrieren.
Ché spuckte aus und gab Löckchen den Hohlstecken, dann kletterte er hinüber zu Asch und sah ebenfalls hinaus. Er folgte Aschs Blicken zwischen den Rauchsäulen hindurch und betrachtete die Zitadelle, die inmitten der Zerstörung aufragte. »Sag mir, was du siehst«, meinte Asch.
»Eine Flagge, die über der Zitadelle weht.«
»Was für eine Flagge?«
Ché kniff die Augen zusammen. Das Licht war gut heute, und der Himmel war von einem klaren Blau. Er spürte, wie ihn eine Schockwelle durchfuhr.
»Ich dachte, du hast gesagt, sie ist tot«, bemerkte Asch trocken.
Ché schaute nach unten und wollte herausfinden, ob Löckchen ihnen zuhörte. Er biss sich auf die Lippe, suchte sicheren Halt auf dem Balken und dachte nach.
»Es könnte eine Kriegslist sein«, sagte er leise. »Vielleicht wollen sie ihren Tod noch nicht verkünden. Oder sie liegt im Sterben.« Er schüttelte den Kopf.
Der R o ¯ schun gab ein Grunzen von sich. Sein Blick blieb fest auf die ferne Flagge über der Zitadelle gerichtet. Sie war weiß, auf ihr war ein schwarzer Rabe abgebildet, und sie flatterte im Wind wie eine Herausforderung.
Kapitel sechsunddreißig
Kriegsgefangene
Die Grube war zehn Fuß tief und wurde von einem Gitter aus hölzernen Stäben bedeckt. Vom schmutzigen Erdboden aus war der Himmel ein Kreis aus Helligkeit, durch den gelegentlich ein Vogel flog und die Schwingen in einem Wind bewegte, den die Männer hier unten nicht spürten. Sie reckten die Hälse und beobachteten diesen Kreis. Ansonsten gab es nichts zu sehen außer den anderen Männern. Sie waren die traurigen, zerschundenen und leidenden Überreste der Armee.
Es war ihr dritter Tag in Gefangenschaft. Jeder trug einen dreckigen Kittel aus fein gewobener gelber Baumwolle mit geknöpften Laschen, die gelöst werden konnten, wenn sich die Männer erleichtern mussten. Sie waren an Händen und Füßen gefesselt. Alle hatten Prellungen, Schnittwunden und innere Verletzungen davongetragen.
Bull hatte gerade einen Mundvoll Wasser auf den Boden gespuckt und starrte den verfaulten Zahn an, den er sich aus dem Kiefer gezogen hatte.
»Hier«, flüsterte er und gab den Wasserschlauch seinem alten Waffengefährten.
Zuerst zeigte Bahm keine Reaktion. Er starrte die gegenüberliegende Wand aus Erde an, schien dabei in weite Ferne zu blicken, und sein Gesicht war völlig mit Dreck verschmiert; nur die Augen stachen rot hervor, und die Schwellung an der Wange zeigte eine purpurne Färbung, denn der Schnitt darauf hatte sich entzündet. Er hielt die
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