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Im Auftrag der Rache

Im Auftrag der Rache

Titel: Im Auftrag der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Col Buchanan
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die drei nun vor der Tür zu Sascheens Privatgemächern, während die Ehrengarde sie nach Waffen absuchte. Die Schwester wurde als Letzte abgetastet, und Ché bemerkte, dass ihr Bruder diesen Prozess mit einem finsteren Blick beobachtete. Sie sah jedoch Ché an, und ihre Gesichtszüge glätteten sich in einem sanften Lächeln.
    Hübsch , dachte er und warf einen eingehenden Blick auf ihren Körper, um den sich die nasse Robe schmiegte.
    »Sauber«, sagte der Akolyt, als er fertig war, und sein Gefährte klopfte an die Tür.
    Heelas, Sascheens persönlicher Verwalter, bat sie in das Wohnzimmer, wo die Priester aus Sascheens Gefolge in gedrückter Stille herumsaßen.
    Heelas führte die drei hinüber zur Tür von Sascheens privater Kajüte und klopfte leise mit dem Knöchel gegen die Tür, dann öffnete er sie und ging hindurch, ohne eine Antwort abzuwarten.
    In dem Augenblick, in dem Ché durch die Tür trat, spürte er den Zorn in der Luft. Sascheen saß in ihrem großen Sessel am hinteren Ende der geräumigen Kajüte; sie trug einen Pelzmantel über ihrer einfachen Robe. Ihre Brust hob und senkte sich rasch. Ché bemerkte ein zerbrochenes Trinkglas auf dem Boden vor der Wand, und rote Weintropfen rannen zwischen den Scherben hin und her, wenn der Boden anstieg oder abfiel.
    Um die Heilige Matriarchin waren die Mitglieder ihres inneren Kreises versammelt. Ihre alte Freundin Sool war da; sie saß neben ihr auf einem gepolsterten Hocker und hatte sich so gedreht, dass sie durch die Fenster auf die brodelnde See und die Wolken darüber blicken konnte. Klint, der Arzt, war so rot im Gesicht wie immer und zupfte geistesabwesend an einer seiner Körpernadeln. Alarum, den Ché als den Spionmeister der Élasch kannte, nickte ihnen freundlich zu und bedachte ihn mit einem durchdringenden Blick. Erzgeneral Sparus, der Kleine Adler, stand in der Mitte des Raumes, als ob er vorhin noch auf und ab gelaufen wäre. Ein Auge war mit einer Klappe verdeckt, das andere sah Ché böse an.
    Ché beachtete ihn nicht weiter und schaute sich im Zimmer um. Rasch hatte er die Königliche Milch entdeckt, die in einer gesicherten Karaffe auf einem Tisch hinter Sascheen stand. Dann betrachtete er die beiden Leibwächter, die draußen auf dem Balkon standen und sich in ihre Kapuzenmäntel kauerten.
    »Diplomat«, verkündete Sascheen unter einem wehmütigen Zucken ihrer Lippen. Er sah, dass sie berauscht war, doch es war nur an ihren geröteten Wangen und der ebenfalls roten Nase zu erkennen, denn die Matriarchin sprach sehr konzentriert. »Ich habe eine Aufgabe für dich, Diplomat.«
    Ché verneigte sich. »Matriarchin«, sagte er mit falscher Gelassenheit.
    »Du musst für mich eine Botschaft an General Romano überbringen, und zwar so schnell wie möglich.«
    Ché unterdrückte den Anflug eines Grinsens. Es fängt also an .
    »Und was ist das für eine Botschaft, Matriarchin?«
    »Es handelt sich nur um eine Warnung«, brummte Erzgeneral Sparus und warf Sascheen einen raschen Blick zu. »Sein Lustknabe sollte genügen.«
    »Statuiere ein Exempel an ihm«, sagte Sascheen langgezogen. »Ein passendes. Hast du mich verstanden?«
    Abermals verneigte er sich. »Ist das alles?«
    Sascheen rieb sich die Nasenflügel und gab ihm keine Antwort.
    »Du kannst gehen«, sagte Sool.
    Die Priesterzwillinge begleiteten ihn nach draußen. Ché blieb zögernd unter dem Vordach stehen. Er sah den Bruder an und wollte etwas zu ihm sagen, doch dann überlegte er es sich anders und sprach stattdessen die Schwester an.
    »Hast du eine Ahnung, worum es hier geht?«
    Seine Direktheit schien sie zu amüsieren. Ihr Bruder trat von einem Bein auf das andere und sah die beiden Wachen hinter ihnen an.
    »Romano hat die Heilige Matriarchin beleidigt«, antwortete Guan, bevor seine Schwester etwas sagen konnte. »Es ist in seinen Gemächern geschehen; er war von seinem Gefolge dazu ermuntert worden.«
    »Auf welche Weise?«
    Schwan beugte sich zu ihm. Wasser tropfte von ihrem Gesichtsschmuck. »Ihr Sohn«, sagte sie leise. »Er hat ihren Sohn verleumdet.«
    Verzweifelt stieß Ché die Luft aus. Nun verstand er.
    *
    An jenem Nachmittag sahen sie zum ersten Mal Lagos, die unselige Insel der Toten.
    Das schlechte Wetter hatte sich endlich gelegt, als ob es zu dieser Gelegenheit eine feierlichere Melodie spielen wollte. Aber der wahre Grund lag darin, dass sie auf die windgeschützte Seite der Insel gesegelt waren. Sie fuhren nach Süden auf den Hafen von Chir zu, während der

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