Im Auftrag der Rache
sollten, dann durfte Bull kaum noch mehr erwarten.
Er goss sich noch eine Handvoll Wasser über das Gesicht und schüttelte die Hände trocken. Die Knöchel knackten laut; sie waren nach all den Jahren der Grubenkämpfe stark in Mitleidenschaft gezogen. Sein Blick ruhte noch ein wenig länger auf dem fernen Wald. Er wagte sich nie weiter als bis zu den Handelsposten hinein, und doch war dieser Wald ein Teil von ihm. Er war in Bulls Blut.
Was hält dich zurück? , fragte Bull sich und kannte die Antwort darauf nicht.
*
Die Männer seiner Chartassabrigade saßen um das Feuer herum, redeten miteinander und ließen einen Wein schlauch kreisen. Bull sagte nichts, denn er wusste, dass sie ihm nicht zuhören würden. Als er nun vor der Wärme des Feuers stand und sich die Haut trockenrieb, verstummten sie tatsächlich, und keiner wollte in seine Richtung blicken.
Bull machte ein finsteres Gesicht und ging zu einem der Wagen in der Nähe. Unter dem Arm trug er das Bündel mit seiner Ausrüstung, und seinen Rucksack hatte er sich über die Schulter geworfen. Weit entfernt von der Wärme und dem Licht des Feuers zog er sich rasch an, ließ aber die Rüstung neben seinem Kurzschwert, gegen den Wagen gelehnt, zurück. Er zog den Mantel enger um sich und setzte sich mit dem Rücken gegen eines der Räder, dann suchte er in seinem Gepäck herum, bis er die kleine Phiole mit Mutteröl gefunden hatte. Er strich sich ein wenig auf den Finger und fuhr sich damit dort über den Gaumen, wo es in seinen Backenzähnen wieder pochte. Währenddessen beobachtete er die Männer, die sich vor dem Feuer zusammengekauert hatten.
Sie haben Angst , dachte Bull. Sie wissen, dass sie in den Tod marschieren .
Er dachte an die Schlacht, die am Ende des Marsches auf sie wartete, und spürte diese Angst auch in seinem Inneren. Dieses Gefühl erregte ihn; er fühlte sich lebendig.
Bull zog sein neues Schwert aus der Scheide und untersuchte die Prägezeichen auf der glänzenden Stahlklinge. Es war Scharrikstahl, hier auf Khos geschmiedet – der beste im ganzen Midèr e ¯ s. Er gab sich damit zufrieden, die Klinge mit der feinen Seite seines Wetzsteines zu schärfen.
Im Licht eines anderen Lagerfeuers entdeckte er General Glaub, der gerade in Begleitung des Oberst der Grauhemden vorbeiging und ins Gespräch mit ihm vertieft war. Bahm folgte ihnen mit einigen Schritten Abstand und sah so nachdenklich aus wie an dem Tag, als er Bull zum ersten Mal begegnet war – vor all den Jahren auf dem kalten Platz zwischen den Mauern des Schildes, als die ersten beiden bereits eingestürzt waren und die dritte bald folgen würde, während viele der Männer geflohen und ihre Moral auf dem Tiefpunkt gewesen waren.
Bahm bemerkte ihn und nickte ihm kurz zu; allerdings blieb er nicht stehen, wechselte kein Wort mit ihm.
Kalt erwiderte Bull seinen Blick, als der Mann den Lichtkreis des Feuers verließ.
Hinter den davonschreitenden Gestalten kam der junge Wicks auf ihn zugetaumelt. In der Hand hielt er einen schlaffen Weinschlauch. Er stolperte, fiel ins Gras, rollte herum und sprang wieder auf die Beine, als wäre nichts geschehen. Auch er war allein, aber bei Wicks schien es ein frei gewähltes Schicksal zu sein.
Er bemerkte Bull in den Schatten und warf sich neben ihm auf den Boden. »He, Krieger«, keuchte Wicks, als er Bull von seinem Wein anbot. Bull schüttelte den Kopf. Er trank keinen Alkohol mehr – nicht mehr seit jenem Tag, an dem er zu Adrianos’ Haus gegangen und ihn wie ein Tier abgeschlachtet hatte.
Wicks machte es sich mit übertriebener Vorsicht neben ihm bequem und lehnte mit dem Rücken gegen das Wagenrad. »Dieses ganze verdammte Marschieren«, murmelte er, während er sich den Fuß massierte. »Meine Sohlen bringen mich um.«
»Das ist doch gar nichts. Sei froh, dass wir nicht noch schneller gehen.« Als Bull sprach, spürte er die Schmerzen in seinen eigenen Füßen und auch im Rücken, und er wusste, dass es erst noch viel schlimmer werden würde, bevor an Besserung auch nur zu denken war. Nach einem ganzen Jahr in der Zelle war er in schlechter Verfassung, obwohl er versucht hatte, sich in Form zu halten.
»Gar nichts, sagt er. Und dabei hängen meine Füße in Fetzen.«
In der Ferne hörte Bull schon zum zweiten Mal das brüllende Gelächter der Männer. »Was ist da los? Gibt es einen Kampf?«
»Ja. Die Grauen und die Freiwilligen. Diesmal sind es zwei gnadenlose Krieger.«
Wicks schaute sich um, und seine großen Augen
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