Im Auftrag des Tigers
Landschaft draußen wahr: die grauen, verfließenden Konturen der Berge, die Wasserbüffel auf ihren Feldern, die von Regen und Sonne ausgebleichten Palmwedel-Dächer, die schlanken Bäume der Palmöl-Plantagen, die Autos, die Lkws, die farbigen Busse, die alle der Stadt zustrebten … Was wollten sie überhaupt in Kualang? Warum fuhren sie nicht sofort zur Station? Sie hatte noch kein Wort darüber verloren.
»Dieser Pa Ulay ist vollkommen korrupt. Dan meint, er steckt mit der Provinz-Regierung in Kualang unter einer Decke. Jedenfalls versucht er zur Zeit die sechs Stämme des Tenenga-Gebiets mit Geschenken und Bestechung davon abzuhalten, daß sie der United Schwierigkeiten machen.«
»Und wird er das schaffen?«
»Kaum«, sagte Dan Carpenter.
»Er wird es nicht schaffen«, bestätigte Maya. »Schon deshalb nicht, weil sich inzwischen die Großwetterlage gedreht hat.«
Hatte sie wirklich nichts anderes im Kopf? … Als habe sie einen Impuls aufgefangen, wandte sie ihm das Gesicht zu, und da war das Lächeln, auf das er gewartet hatte, der Blick, der zärtlich war, um dann ganz jäh aufmerksam zu werden: »Was hast du denn da an deiner Stirn? Ich wollte dich schon vorhin fragen. Was ist das für ein Pflaster? Weißt du, Dan, immer wenn wir zusammen sind, kommt er mit irgendeiner Beule an, auf der irgendein Pflaster klebt … Bist du diesmal im Badezimmer gefallen?«
»In etwa«, grinste er und dachte an den explodierenden BMW. »Wir hatten ziemlichen Trubel beim Umzug.«
»Kann ich mir denken.« Sie berührte leicht seine Stirn, die Bewegung so zart wie ein Hauch. Dann richtete sie den Blick wieder geradeaus.
»Wie war das mit der Großwetterlage?« fragte er.
»Inzwischen scheinen diese United-Taiwanesen selbst unter Druck geraten zu sein. Ich habe das von meinem Rechtsanwalt in Kuala Lumpur.«
»Und wer setzt sie unter Druck? Die Regierung?«
»Oh nein. Es handelt sich um eine der wichtigsten Finanzgruppen in Singapur. Sie kann jeden Betrag mobilisieren … Die haben plötzlich Appetit auf das Tenenga-Geschäft bekommen. Soll ich dir sagen, was das ganz und gar Verrückte an der Geschichte ist: Ich kenne den Mann, der das alles einfädelt. Mein Großvater ist sogar der Vertreter seiner Interessen in Kualang. Ich selbst habe während meiner Schulzeit in Singapur oft in seinem Haus verkehrt, sogar ein paar Wochen dort gewohnt.«
»Und wie heißt er?«
»Wang Fu. Ein Chinese.«
Rick Martin saß ganz aufrecht: »East Coast Industries?«
»Woher weißt du …?«
Darauf gab er keine Antwort. »Der ist nun wirklich gefährlich«, sagte er.
»Ja. Und er will die United übernehmen. Die Katastrophe ist, daß er das nicht nur fertigbringen wird, sondern daß er auch hier seine Finger drin hat. Er kennt jeden in der Zentral-Regierung. Seine Familie stammt aus Malaysia. Er hat früher hier gewohnt, ehe er nach Singapur ging, verstehst du?«
Und ob er verstand.
Wang Fu … Der Mann, der vor drei Tagen vor der EIA Mennings BMW hochgehen ließ! Nie hatte er mit Maya über ihn gesprochen. Und jetzt vertrat ihr Großvater sogar seine Interessen? Sie aber hatte als junges Mädchen bei ihm gewohnt …
Den Namen ›Wang Fu‹ und ›East Coast Industries‹ hatte Rick Martin zum ersten Mal gelesen, als er eine Sendung über den internationalen Elfenbein-Handel vorbereitete. Anfangs war es ihm reichlich abenteuerlich erschienen, daß sich ein Wirtschaft-Tycoon von diesem Rang mit derartig unappetitlichen Mafia-Geschichten befassen sollte. Dann aber häuften sich die Hinweise, und als sie mit der Arbeit begannen, fingen auch die Sabotage-Akte an … Das Material und die dazugehörigen Hintergrund-Informationen hatte Rick Martin aus dem Außenministerium. Bernie Sounders, der es ihm zugespielt hatte, war absolut zuverlässig. Seine Quellen saßen nicht nur in den Außenstellen, den Konsulaten und Botschaften Whitehalls, er bezog die Informationen auch vom MI-6, dem Sicherheitsdienst. Resultat: Es gab keine Zweifel, daß Wang Fu sich mit allem beschäftigte, was nach Geld roch, je extremer, desto besser …
In Asien mögen die Mühlen anders mahlen, hatte Sounders geschrieben, aber selbst für südostasiatische Verhältnisse scheint dieser Herr über eine geradezu einzigartige kriminelle Fantasie zu verfügen, und es scheint ihm auch einen unbändigen Spaß zu machen, sie auszuleben. In Singapur werden seine illegalen Aktionen von einem französischen Ex-Legionär namens J.P. Bernier besorgt. Bernier ist auch in den
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