Im Auftrag des Tigers
Stuhl, gleichfalls zurückgelehnt, gleichfalls die Beine gestreckt, die nackten Füße im warmen Sand. Ihre Stimme war wie immer sachlich und gelassen.
Manchmal gingen ihm ein paar Worte von dem, was sie berichtete, und was er mit methodischer Erfahrung zu ordnen versuchte, verloren. Ein Bootsmotor wurde zu laut. Die alte Mallorquinerin dort drüben regte sich über ihre Enkel auf. Er war plötzlich müde. Nein, er hätte so gerne, so verflucht gerne einem anderen Thema zugehört.
Er ließ seinen Blick auf den weißen Streifen ruhen, die die Riemen ihrer Sandalen auf der braunen Haut hinterlassen hatten und wünschte sich, daß es, zum Teufel nochmal, keine Thunfisch-Netze, keine Taiwanesen, keine Zweihundert-Meilen-Fischerei-Zonen geben würde. Daß alles, Himmelarsch nochmal, anders sei, als es nun mal war. Ganz anders. Neben dieser Frau sitzen, einer solchen Frau, ihr zuhören, ihre Nähe genießen … das war das Leben. So schmerzhaft verlangte es ihn nach ihr, so gern hätte er mehr von ihr gewußt. Aber was interessierte ihn die Guardia Civil Central in Palma?! …
»Sie sind gar nicht so übel, die Typen dort. Sind im Grunde sogar unheimlich nett. Und für Bullen überraschend kooperativ. Und einige dazu noch umwerfend gut aussehend.« Sie lachte leise. »Da war einer, ein Adjudant. Romero, Comandante oder so. Jedenfalls wollte er wissen, ob ich mich für Poesie interessiere und was ich von Carlos Fuentes halte. Und ob man sich mal zum Kaffee verabreden könnte.«
»So?«
»Ja. Er versprach mir, mich im Hubschrauber mitzunehmen. Damit ich mir mal die Taiwanesen von oben ansehen könne. Sogar filmen wollte er mich lassen. Dabei hatte er meinen Presseausweis kaum angesehen.«
»Und?«
»Und, und … Klappte nicht. Sein Chef pfiff ihn zurück. Wahrscheinlich hatte er schon einige Erfahrungen mit Romero gemacht. Außerdem: Die Taiwanesen von oben? Was nützt uns das?«
»Ja nun, ein paar Schüsse zur Illustration …«
Sie schienen sehr weit weg in diesem Augenblick, die Taiwanesen. Sehr nahe jedoch war das Spiel ihrer rotlackierten, langen Zehennägel, die schmalen, zarten Knöchel mit ihren Schatten, das Spiel der Muskeln an ihren Unterschenkeln.
»Der Punkt ist, daß sie die Zweihundert-Meilen-Zone nicht einhalten. Nachts rückten sie näher an die Küste. Und zwar bedeutend näher. Sie verletzen also nicht nur die Schonzeit-Bestimmungen, sie fischen auch in spanischem Gewässer. Die Spanier haben zwei oder drei lahme Demarchen bei der Madrider Gesandtschaft Taiwans laufen. Beweisen konnten sie nichts. Und ich habe den Eindruck, daß sie auch gar nicht so scharf darauf sind.«
»Und wieso nicht?«
»Na ja, denk doch an den Fischerei-Krieg, den Spanien mit Kanada hatte. Da lief doch dasselbe. Illegale Netze. Fischraub in ihrem Hoheitsbereich, haben die Kanadier behauptet. Die Spanier haben das bestritten. Seither sind sie vorsichtig.«
»Die Kanadier haben aber die spanischen Trawler aufgebracht. Und es ging lediglich um die Maschengröße, nicht um diese Horror-Dinger von Schleppnetzen.«
Was interessierte ihn der spanisch-kanadische Fischerei-Krieg?
»Ich würde ihnen auch ein paar Fregatten, nein, die ganze Flotte würde ich ihnen auf den Hals schicken. Sie sind unerträglich. Ich hasse sie …«
»Jetzt legst du aber los.«
»Die denken nicht weiter, als ein Dollar rund ist. Miesester Piraten-Kapitalismus. Bei uns plündern ihre Holz-Kompanien die Wälder aus – und hier das Mittelmeer. Und die haben tatsächlich die Frechheit, unter der Küste ihre Thunfisch-Schlächterei durchzuziehen.«
»Wieso unter der Küste?«
»Na, ziemlich nah.«
»Hast du das von diesem mallorquinischen Fischer?«
»Pons? Der hat zu viel Manschetten, um den Mund aufzumachen. Aber ich hab' mir sein Boot angesehen. Mit dem bißchen Diesel, das der da an Bord hatte, schafft er gerade mal hundert Seemeilen bis zum Treffpunkt und dann wieder zurück.«
»Und wie war das, als er dich in seinem Wagen erwischte?«
»Komm, lassen wir das lieber … Unangenehm. Reichlich unangenehm.«
»Wieso willst du nicht darüber sprechen?«
»Wieso, wieso …« Ihre Stimme brach ab.
Er trank den Rest Rose aus seinem Glas und fragte sich wieder einmal, woher diese merkwürdige Sprache rührte, die sie davon abhielt, Gefühle zu zeigen. Oder zumindest eine Geschichte so zu erzählen, wie sie wirklich abgelaufen war, vor allem, was sie dabei empfunden hatte. All diese gelassene, übersachliche, unnatürliche Coolness. Weglassen,
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