Im Auge der Sonne: Roman (German Edition)

ab. Durch purpurne Vorhänge stieg Zira hinunter auf einen von zwei knienden Sklaven gehaltenen gepolsterten Fußschemel, was sie größer machte, so dass sie auch auf Elias’ Mutter herabsah.
    »Die Villa steht leer«, sagte sie unter Umgehung jeglicher Etikette, um Avigails niedrige Stellung zu betonen: Sklaven wurden weder gegrüßt, noch wünschte man ihnen die Segnungen der Götter. »Jetzt, da Megiddo an Ägypten gefallen ist, wird niemand dieses Anwesen mieten wollen. Alle möchten innerhalb der Stadtmauern leben. Deshalb kann ich es mir nicht länger leisten, dich und deine Familie durchzufüttern und zu kleiden.«
    Avigail hob stolz das Kinn. »Es war der Ägypter, der für unser Essen und unsere Kleidung aufgekommen ist.«
    »Und wo ist dieser Ägypter, der das, was du behauptest, vor Gericht bestätigt? Ich sehe nur vier faule Weiber und zwei nichtsnutzige Knaben, die sich auf meine Kosten den Wanst vollschlagen.« Sie legte eine Pause ein, um die Wirkung ihrer Worte zu genießen. »Ich werde euch alle auf dem Sklavenmarkt versteigern lassen.«
    Die drei Frauen hinter Avigail hielten den Atem an. »Du kannst uns nicht verkaufen!«, empörte sich Avigail. »Wir sind in Freiheit Geborene!«
    Zira lächelte süffisant. Noch bevor der König vor vier Jahren Ugarit verließ, hatte sie in seinen inneren Kreis einen Spion eingeschleust, der sie regelmäßig schriftlich über den Gesundheitszustand des Königs informierte. Von ihm wusste sie auch, dass diese Dämonenbetörerin Leah jahrein, jahraus den König anflehte, wieder nach Hause zu dürfen, und dass der König dieses Ansinnen jedes Mal abschlägig beschied. Jetzt, da Megiddo gefallen war und die Ägypter sich im Vormarsch befanden, würde Shalaaman vorzeitig nach Ugarit zurückkehren – und mit ihm dieses Mädchen Leah. Zira brauchte also nichts weiter zu tun, als Leah von ihm wegzulocken, um den König für den Dämon, der Erstickungsanfälle auslöste, angreifbar zu machen, so dass er in absehbarer Zeit zu husten und zu keuchen beginnen und an Atemnot sterben würde. Und dann konnte Yehuda seinen Platz einnehmen.
    »Ihr seid Teil der Einrichtung, die zum Anwesen gehört. Vergesst nicht die zehn Gewichte Gold, die ihr meinem Bruder schuldet. Könnt ihr die aufbringen? Jetzt sofort?«
    »Du weißt, dass wir das nicht können!«
    »Dann bestehe ich auf Rückerstattung, indem ihr als Sklaven zum Verkauf gebracht werdet.« Sie hatte mit dem Sklavenhändler bereits vereinbart, den Verkauf in einer anderen Stadt durchzuführen. Sobald Leah davon erfuhr, würde sie alles daransetzen, um sich dem Zugriff des Königs zu entziehen, und sich auf die Suche nach ihrer Familie begeben. Und dann war es nur eine Frage der Zeit, dass sich Shalaamans Erstickungsanfälle wieder einstellten. »Meine Anwälte kommen morgen vorbei, um das Haus zu inspizieren und dann zu schließen.«
    Als Zira auf den Schultern von Sklaven entschwand, wandte sich Avigail an Esther: »Rasch, geh zum Haus des Goldes und frag nach David. Bitte ihn, sofort herzukommen. In einer ungemein dringenden Angelegenheit!«

    Wenn Nobu das Herz noch schwerer wurde, würde es ihm die Brust sprengen. Noch nie hatte er solche Qualen ertragen müssen, ein derartiges Elend. Hatte sich nicht vorstellen können, wie erbärmlich man sich fühlte, wenn man verliebt war.
    Er hätte ebenso gut in den Mond verliebt sein können. In den vierzig Jahren, die er auf dieser Erde weilte, hatte Nobu, seines Zeichens königlicher Sklave, die Sinnesfreuden spendenden Talente von Huren, leichten Mädchen in der Taverne, Tänzerinnen, Tempelprostituierten und einsamen Hausfrauen genossen. Und obwohl er ihnen beim Paarungsakt körperlich größtmögliche Aufmerksamkeit und die ihm eigene Kunstfertigkeit hatte zukommen lassen, hatte er nie sein Herz verschenkt.
    Bis jetzt.
    Wann genau war das geschehen?, überlegte er, während er Vorbereitungen für das Bad für seinen Meister traf. Seit wann war Esther für ihn nicht länger entstellt und launisch, sondern entzückend und bildhübsch?
    Er legte die Kämme und scharfen Messer für den Haarschnitt seines Meisters zurecht, die Seife und das Lockenöl, und dachte daran, wie er vor sechs Jahren mit David im Haus von Elias dem Winzer Einzug gehalten hatte.
    Anfangs hast du die jüngste Tochter überhaupt nicht beachtet. Sie war dreizehn Jahre alt, knochig und still und hatte eine gespaltene Lippe, die ihre Zähne auf unschöne Weise entblößte. Und dann dieses ständige