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Im Auge der Sonne: Roman (German Edition)

Im Auge der Sonne: Roman (German Edition)

Titel: Im Auge der Sonne: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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verhieß Regen – wie damals vor sieben Jahren, als das Unheil über sie hereingebrochen war.
    Als sie ihr Gesicht dem Wind zuwandte, der vom Großen Meer her wehte, spürte sie, wie sich ihre kleine Familie wie Entenküken um sie scharte – Hannah, Esther, Saloma und die beiden vierjährigen Knaben Baruch und Aaron, die im Abstand von zwei Monaten geboren worden waren. Sie zog die Kleinen an sich und richtete den Blick erst nach Nordosten, wo schwarze Rauchschwaden zum Himmel wallten und einen widerlichen Gestank verbreiteten – Jothams Eisenverhüttungswerk, in dem Waffen geschmiedet wurden –, dann auf die mächtigen Mauern der Stadt Ugarit. Der Krieg kommt zu uns, sagte sie sich.
    Und sie und ihre Familie waren auf sich allein gestellt. Schutzlos.
    Der Ägypter, der in den vergangenen vier Jahren die Villa und die Kellerei gemietet hatte, war in seine Heimat zurückgekehrt, nachdem vor drei Monaten der Tod von Königin Hatschepsut in Ugarit bekannt geworden war. Dass ihr Neffe, jetzt Thutmosis  III ., als neuer Pharao über Ägypten herrschte, hatten die Könige von Kadesch und Megiddo für einen günstigen Zeitpunkt erachtet, Kanaan dem Einfluss Ägyptens zu entziehen, weshalb sie eine Allianz mit anderen Herrschern gebildet und einen Aufstand angezettelt hatten. Kaum hatten die Ägypter, die in Ugarit wohnten, davon Wind bekommen, packten sie, um ihr Leben fürchtend, ihre Sachen zusammen und zogen weg.
    Und jetzt war Megiddo gefallen. Nichts mehr konnte den Marsch des Pharaos nach Norden aufhalten, und zweifellos würde Thutmosis seine Truppen nach Ugarit führen, dem Tor nach Norden und Osten, eine Drehscheibe für die bedeutendsten Handelswege und ein wichtiger Hafen für alle Schifffahrtsrouten. Thutmosis, der, wie man überall hörte, beabsichtigte, die Welt zu erobern, musste Ugarit in der Hand haben. Und offenbar war er entschlossen, Ugarit um jeden Preis einzunehmen.
    Avigail fröstelte es. Wie sollte sie ihre Familie beschützen?
    Die Villa stand leer. Solange der ägyptische Winzer mit seiner Familie hier gelebt hatte, waren sie zumindest nicht allein gewesen. Und als Tyrann hatte er sich zum Glück auch nicht erwiesen. Als sie einzogen, hatte Avigail das zwar kaum ertragen, sie hatte nicht mehr schlafen können und war immer mehr abgemagert. Aber im Laufe von Wochen und Monaten, als sie allmählich einsah, dass sie ihrer Familie zuliebe und um zu überleben die Anwesenheit dieser verhassten Fremden ertragen musste, lernte sie, sich in ihr Schicksal zu fügen.
    Was sie nur ungern zugab, war, dass der Ägypter den Weinberg erweitert und den Weinhandel wieder in Schwung gebracht hatte. Und obwohl er für sie und ihre Familie keinerlei Interesse zeigte, sich ihre Namen nicht merkte und ihre Gegenwart kaum zur Kenntnis nahm, hatte er sie durchaus nicht schlecht behandelt oder absichtlich erniedrigt. Sie hatten genug zu essen bekommen und durften sich ihre eigenen Kleider aus den hauseigenen Beständen an Schafwolle und Ziegenhaar fertigen.
    Jetzt aber waren sie allein, eine kleine Schar hilfloser Frauen und zwei Kinder.
    Hannah die Schweigsame. Seit vor sieben Jahren ihr Baby gestorben war, beteiligte sie sich zusehends weniger an Gesprächen. Tamars Selbstmord im Olivenhain hatte sie noch mehr verstummen lassen, und das letzte Mal, dass sie ihre Gefühle herausgerufen hatte, dürfte gewesen sein, als Elias in Ketten abgeführt worden war – vor etwas mehr als vier Jahren. Kein Wort hatten sie seither von ihm gehört, wussten nicht, wo er war, ob er überhaupt noch lebte. Umso inbrünstiger beteten sie tagtäglich zu den Göttern für seine Rückkehr. Der kleine Aaron, ein pfiffiger Junge, der von seinem Vater das aufgeschlossene Wesen geerbt hatte, bedeutete für Hannah keinen Trost, denn auch wenn sie dem Gesetz nach seine Mutter war – und jetzt Em Aaron genannt wurde –, stammte er aus Salomas Leib.
    Saloma selbst war dagegen gesund und stets darum bemüht, ihre Gefährtinnen aufzumuntern. Sie kümmerte sich nicht nur um Aaron, sondern auch um Baruch, weil seine Mutter Leah vor über vier Jahren in den Palast aufgenommen worden war und sie sie seither nicht einmal hatten sehen dürfen. Esther, inzwischen neunzehn Jahre alt, versuchte die Familie immer wieder daran zu erinnern, dass die Götter trotz allem weiterhin mit ihnen waren.
    Avigail strich den Knaben, die ihre Schenkel umschlangen und sich schutzsuchend an sie drückten, über den Kopf. »Habt keine Angst, meine Engel«,

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