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Im Auge des Orkans

Im Auge des Orkans

Titel: Im Auge des Orkans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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zu verschwinden. Doch
jetzt, beschloß ich, würde ich weiter nach dem Plan vorgehen, den ich heute
morgen entworfen hatte. Also machte ich mich auf die Suche nach Denny und fand
ihn schließlich im Bootshaus.
    Der alte Wellblechschuppen war wie eine
Höhle, groß und dunkel und zugig. Das Trommeln des Regens auf das Dach schien
von den Wänden zurückgeworfen zu werden. Trotz der Größe wirkte das Innere
unordentlich. Teilweise aufgerollte Taue lagen in einem Haufen bei der Tür,
Rettungswesten, Plastikmatratzen, Reservekanister, zusammengerollte Planen und
anderes Seezeug waren wahllos in provisorische Regale gestopft. Mitten auf dem
Zementboden waren ein Aluminiumboot und ein paar zerbrochene Kanus deponiert
worden. Der Boden selbst war voll Schmutz und Zigarettenkippen. Das
Durcheinander und der Schmutz paßten zu dem Bild, das ich mir von einem von
Stephanie verwalteten Platz gemacht hatte — obwohl ich nicht wußte, warum ich
angenommen hatte, sie sei faul.
    Denny saß am anderen Ende des Gebäudes
bei der Bootsschleuse. Sie war zwei Meter tief, Stufen führten hinunter, und
das Tor zum Wasser konnte hochgezogen werden, so daß ein Boot hereinkommen oder
hinausfahren konnte. Bei meinen Schritten wandte er den Kopf. Seine
himmelblauen Augen waren wie mattleuchtende Lampen. Beim Näherkommen gewahrte
ich, daß er einen Joint rauchte, und roch es auch.
    Er klopfte neben sich auf den Boden,
und ich ließ mich mit gekreuzten Beinen nach Indianerart an seiner Seite
nieder. Er bot mir den Joint an, doch ich schüttelte den Kopf. Denny zuckte
philosophisch die Achseln. »Das ist das Problem hier — kein Mensch, mit dem man
zusammen high werden kann.«
    »Und meine Schwester? Sie hat jahrelang
ihren eigenen Stoff gezogen.«
    »Nein, nicht mehr, seit sie Evans
kennt. Und der ist auf dem Weg nach oben. In ein paar Jahren wird sein
Restaurant ›Zum verrückten Alf‹ so gut sein wie das ›Chez Panisse‹ in Berkeley.
Wußten Sie, daß er es so nennen wird? Ich finde es makaber.«
    Ich fand den Namen geschmacklos, vor
allem, wenn man ihn im Licht der Familienbriefe betrachtete. Denny rauchte
weiter, den Joint mit seiner kräftigen, sommersprossigen Hand beschützend, als
sei er ein kleiner Vogel. Nach einem Augenblick merkte ich, daß ich ihn
anstarrte, und sah weg in den düsteren Raum. Neben den Regalen stand ein
Außenbordmotor auf einem Holzgestell mit einem Stück Segeltuch abgedeckt.
    »Wieso sind Sie an jenem Abend
hinübergerudert, Denny, als Sie nach Max suchten, wenn ein Außenbordmotor da
ist?«
    »Weil es ihn da noch nicht gab. Steff
fand ihn gestern durch eine Anzeige in der Zeitung. Sie meint, wir müßten
unbedingt einen Außenbordmotor haben, falls die Fähre kaputtgeht.«
    Ich erinnerte mich, wie sie am
Küchentisch gesessen hatte, die Kleinanzeigenseite vor sich ausgebreitet. »Ein
guter Gedanke, vor allem, da wieder ein Sturm droht.« Ich schwieg und fragte
ihn dann, wie er seine Bestellungen machte und wie sie bezahlt wurden. Er erzählte
mir mehr oder weniger das gleiche wie Evans. »Glauben Sie, daß jemand die
Bücher frisiert?« fragte er.
    »Ich bin mir nicht sicher.«
    Denny wartete und sah schließlich etwas
beleidigt aus, weil ich ihn nicht einweihte. Er zog an seinem Joint und sah in
die leere Schleuse hinab, in der eine trübe, gelblichbraune Brühe schwamm. Sie
roch nach Öl und verfaulenden Pflanzen.
    »Hatten die Applebys eine Menge Boote?«
    Er zuckte die Achseln. »Ich versteh
nicht viel von Booten, Lady.« Ich hatte ihn tatsächlich verärgert. Oder gab es
einen bestimmten Grund, warum er sich in das einsame Bootshaus zurückgezogen
hatte? »Die Fähre können Sie bedienen.«
    »Das ist einfach. Max hat es mir
gezeigt, falls ihm was zustoßen sollte... komisch, wenn man bedenkt, was dann
passiert ist.«
    »Er hat das doch nicht wirklich ernst
gemeint, oder?«
    »Nein. Max machte sich nur Gedanken
darüber, wer die Fähre bediente, wenn er mal nicht da war, wenn er in einer Bar
war oder seine Frau bespitzelte.«
    »Seine Frau bespitzelte?«
    »Ja, das tat er manchmal. So war Max
eben — er wollte immer gern wissen, was sich abspielte und wo. Ich wette, er
wußte mehr von uns allen, als wir ahnten.«
    »Sie meinen, er hat die Leute auf der
Insel bespitzelt?«
    »Nicht richtig. Er war nur ein guter
Beobachter.«
    Konnte es möglich sein, daß Max etwas
gesehen oder gehört hatte, das er nicht hätte hören oder sehen sollen? Und daß
er deshalb umgebracht worden war?
    »Könnten Sie

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