Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Augenblick der Angst

Im Augenblick der Angst

Titel: Im Augenblick der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Sarkey
Vom Netzwerk:
Verlass?«
    »Leck mich am Arsch, Chris.«
    »Tully –«
    Der Koloss beugte sich vor. »Mein Geschäft sind Informationen. Das ist mein Job. Ich arbeite für Anwaltskanzleien an der Michigan Avenue, ich arbeite für die Staatsanwaltschaft. Und für das Heimatschutzministerium, aber das ist wohl nix Besonderes mehr bei dem Geld, das die im Moment rauswerfen. Und jetzt fragst du mich, ob ich meinen Job gemacht habe? Nachdem du mich um einen Gefallen gebeten hast?«
    Halden hob die Hände, wie um sich zu ergeben. »Du hast vollkommen Recht. Es tut mir leid. Soll ich noch auf die Knie fallen?«
    »Nicht nötig.« Tully lehnte sich zurück, klang aber nach wie vor beleidigt. »Willst du den Papierkram haben?«
    »Alles, was geht.«
    Tully bückte sich zu seiner Tasche, zog einen Aktenordner hervor und reichte ihn über den Tisch. »Viel gibt’s nicht zu sehen. Eine Hypothek, die etwas höher ist als üblich, einige Schulden. Und ein paar Strafzettel. Die Reeds arbeiten beide in der Innenstadt.« Er zuckte die Schultern. »Ganz normale Leute, bis auf die Sache mit der Kreditkarte.«
    Halden bedankte sich bei seinem ehemaligen Partner und machte seinen Fehltritt wieder gut, indem er einen Nachtisch und eine Runde Single Malt bestellte. Doch seine Gedanken kamen nicht zur Ruhe, seine Finger prickelten ununterbrochen. Da war es wieder, das beste Gefühl der Welt: wenn eine Theorie aufgeht.
    Jetzt hab ich euch , dachte er. Nehmt euch in Acht.
    Okay, er hatte dem Lieutenant nicht die Wahrheit gesagt. Das musste er irgendwie regeln. Er würde erklären müssen, warum er auf eigene Faust gehandelt, warum er alles für sich behalten hatte. Freunde würde er sich damit nicht machen. Aber wer scherte sich am Ende darum? Die Ergebnisse würden für sich sprechen. Und wenn ihn die Zeitungen erst mal als Helden feierten, hätte die Obrigkeit kaum eine andere Wahl, als in den Chor einzustimmen.
    Halden sah sich schon auf der Terrasse der Blockhütte im Westen von Minocqua sitzen, eine Tasse Kaffee in der Hand, ein Hund auf dem Boden neben dem Lehnstuhl, während Marie das Frühstück machte und leise vor sich hin summte. Um dorthin zu gelangen, musste er bloß drei Dinge tun: einen Dealer hochgehen lassen, der am Shooting-Star-Raub beteiligt war; vierhundert Riesen gestohlenes Geld sicherstellen; und zwei Zivilisten festnehmen, die dumm genug waren, zu glauben, sie könnten dieses Geld einfach einsacken.
    Es war beinahe zu einfach.
     
    Anna sah zu, wie Tom das Handy zuklappte und auf dem schmalen Fensterbrett ablegte. Er blickte sie nicht an, sondern starrte hinaus in die nächtliche Stadt. Aber als sie aufstand und ihm eine Hand auf die Schulter legte, bedeckte er ihre Finger sofort mit seinen.
    »Was hat er gesagt?«, fragte Anna.
    »Dass er sein Geld will. Und dass er uns in Ruhe lässt, wenn wir es ihm geben.«
    »Er wird uns trotzdem umbringen.«
    »Wenn er das Geld wiederhat, gibt es eigentlich keinen Grund mehr dafür.«
    »Ja, aber …« Anna hielt inne und suchte nach Worten, um das Gefühl auszudrücken, das sie gehabt hatte, als Jack aus der Küche floh – eine quälende Gewissheit, dass er fest vorgehabt hatte, sie zu erschießen, ja, dass er sich sogar darauf gefreut hatte. »Ich glaube, für ihn ist das was Persönliches. Eine Art Rache, vielleicht an Will.« Plötzlich fiel ihr etwas ein. »Und weißt du was? Wahrscheinlich will er das ganze Geld sehen. Die ganzen Vierhunderttausend.«
    »Verdammt. Du hast Recht, er hat die Summe erwähnt, bevor du gekommen bist.« Tom ließ frustriert die Arme sinken. »Wir sitzen in der Scheiße.«
    Anna schaute auf die ausgebeulten Seiten der Sporttasche. Einen Moment lang sehnte sie sich danach, die Tasche über dem Bett auszukippen und die Scheine herabregnen zu lassen. Bündel über Bündel Hunderter. »Zucchini.«
    Tom hob eine Augenbraue.
    »Weißt du noch? Unser Notfallplan, wenn es auf einer Party langweilig wurde, oder wenn einer von uns in einer öden Unterhaltung gefangen war? Dann haben wir immer irgendwie das Wort ›Zucchini‹ ins Gespräch eingebaut, und wenn man das hörte, wusste man, dass man den anderen da rausholen musste.« Sie lächelte, als sie sich erinnerte. »Du hattest das wirklich drauf.«
    Tom blickte hinab auf das Whiskeyglas in seiner bandagierten Hand. »Ich glaube, über Zucchini sind wir mittlerweile hinaus.«
    In seiner Stimme schwang etwas mit, das beinahe wie Selbstaufgabe klang, und es brach Anna das Herz. »Wir sind doch nicht auf den Kopf

Weitere Kostenlose Bücher