Im Bann der Dämonin
wollte er nichts wissen. Jetzt waren sie erst einmal hier, weit weg von allem. Von Ari-elle. In Sicherheit.
Sie lagen nebeneinander und atmeten im selben Rhythmus. „Haben sie deinen Mörder jemals geschnappt?“
Brandon nickte in der Dunkelheit. „Sie haben zwei Männer festgenommen, die beiden Drogenhändler, denen ich aufder Spur war. Aber sie schworen, sie hätten es nicht getan. Behaupteten, sie wären nicht mal in der Nähe dieser Gasse gewesen, in der ich erschossen wurde. Sie endeten im Baraga Max, einem Hochsicherheitsgefängnis in Michigan. Beide bekamen lebenslänglich.“
„Glaubst du, sie waren es?“
Er erstarrte, und ein unangenehmes Schweigen breitete sich zwischen ihnen aus. „Wieso fragst du das?“
„Weil du immer noch jede Nacht davon träumst. Es ist offensichtlich, dass die Sache nicht wirklich verarbeitet ist.“
Vielleicht blieb ein Teil von Brandon aus genau diesem Grund in der menschlichen Welt verhaftet – weil es nicht verarbeitet war. Daran dachte er, als Luciana ihren Kopf auf seine Brust legte und er durchs Fenster die hellen Sterne betrachtete.
Ob er das Thema wohl irgendwann abschließen konnte?
„Ich kann immer noch nicht schlafen“, sagte er nach einer langen Weile.
„Du träumst doch schon. Du weißt es nur nicht. Komm, ich zeige es dir.“
„Nein“, stieß Brandon hervor. „Ich will aufwachen. Es besteht keine Notwendigkeit, das alles schon wieder zu durchleben.“
„Du musst es sehen. Du musst Gewissheit darüber bekommen, wer dich umgebracht hat. Und du musst den Täter damit konfrontieren.“
Es war derselbe Albtraum wie immer.
Der, den er schon Tausende Male durchlebt hatte. Der, dem er nicht entgehen konnte.
Durch die dunkle Gasse, vorbei an den umgekippten Mülltonnen, dem giftigen Gestank von verfaulten, schleimigen Essenabfällen und anderem verwesenden Müll, der überall verstreut war. Er ging weiter, unsicher, wohin ihn der Traum diesmal bringen würde. Unsicher, weil er nicht wusste, was Lucianaihm zeigen wollte.
„Ich gebe dir Deckung“, beteuerte sie ihm. „Das verspreche ich dir. Du bist nicht allein. Ich werde dich heute Nacht nicht hier sterben lassen.“
Sie gingen gemeinsam in die Gasse hinein, Engel und Dämonin. Rücken an Rücken. Seine große, starke Hand hielt ihre bleiche, zarte, die dennoch so stark war wie seidenummantelter Stahl. Er griff nach seinem Schulterholster und holte seine Pistole heraus. Hielt sie auf Augenhöhe vor sich, als sie weitergingen.
Als der Angreifer auftauchte, schien die Zeit plötzlich langsamer abzulaufen. Brandon hob den Arm mit der Waffe, doch Luciana war schneller. Sie hinderte ihn an der Bewegung. Da drehte sich der Angreifer um – und Brandon sah in ein Gesicht, das er nur zu gut kannte. Ein Gesicht, das er geliebt hatte.
Das Gesicht seines besten Freundes.
Der Brandons Frau nach seinem Tod geheiratet hatte. Des Vaters ihrer Kinder.
Jude hob seine Waffe, bereit, zu schießen. Diesmal nicht in Brandons Rücken, diesmal zielte er auf seine Brust.
Die Schüsse verhallten. Wie jedes Mal in seinem Traum.
Der erste, dann der zweite. Dasselbe bekannte Geräusch, das er schon so oft gehört hatte.
Doch der Schmerz blieb aus. Keine doppelte Schmerzexplosion in seinem Rücken.
Denn diesmal trafen die Schüsse einen anderen Körper.
Schneller als jeder Mensch hatte sich Luciana vor ihn geworfen, und so erwischten die beiden Kugeln sie. Die erste traf sie mitten in die Brust, die andere in den Hals.
Brandon fing sie auf, als sie stürzte.
Und hielt sie fest, als wollte er sie nie wieder loslassen. Selbst als sie in seinen Armen verblutete, war er nicht in der Lage, etwas anderes zu tun, als sie festzuhalten. Sie lächelte, während sich ihre Lider schlossen.
In diesem Moment wachte Brandon auf, klitschnass geschwitzt vor Angst – wie in jeder Nacht in den letzten zehn Jahren, bevor er die Dämonin kennengelernt hatte. Er erwachte voller Schmerz und mit einer Gewissheit, die sich in diesem Moment schwerer und schrecklicher anfühlte als der Tod.
Er kämpfte sich durch den Schleier seiner Verwirrung und versuchte, die Erlebnisse aus seinem Traum noch einmal zu rekapitulieren.
Du kannst in einem Traum nicht sterben .
Aus eigener Erfahrung wusste er, dass das nicht stimmte.
Sie hatte sich von den Kugeln treffen lassen. Es war nur im Traum gewesen. Aber es war passiert. Sie hatte dasselbe Leid im Tod erlitten wie er.
Er sprang auf. Neben ihm war das Bett leer. Doch er wusste, wohin sie
Weitere Kostenlose Bücher