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Im Bann der Dämonin

Im Bann der Dämonin

Titel: Im Bann der Dämonin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Chong
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Funken würde sie weiter zündeln, ihn so lange anfachen, bis ein Feuer dar-aus wurde.
    „Noch nie was von Kirchenasyl gehört?“ Sie bemühte sich um einen möglichst neutralen Ton, obwohl sie selbst ein leises Zittern in ihrer sonst so samtigen Stimme wahrnahm. „Siekönnen mich im Haus Gottes nicht einfach gefangen nehmen.“
    Seine Antwort kam ohne Umschweife. „Anders als in an-deren Ländern hat in Italien die Idee des Kirchenasyls nie eine große Rolle gespielt. Und erst recht nicht, wenn es um Schwer-verbrechen ging. Also versuchen Sie nicht, mich hinzuhalten. Sie können sich nicht herausreden.“
    Er ging noch einen Schritt auf sie zu, in der Erwartung, sie würde zurückweichen.
    Doch stattdessen näherte sie sich ihm, in aufrechter Haltung, und sah ihm direkt in die Augen.
    „Vielleicht bin ich ja hier, um meine Sünden zu bereuen.“ Mit ihrer Zunge benetzte sie sich die Lippen und musterte ihn dabei von oben bis unten. „Wenn ich nur jemanden fände, der mein Gebet erhört.“
    „Unwahrscheinlich.“
    „Wie können Sie da so sicher sein?“, flüsterte sie.
    Sie stand jetzt so nah vor ihm, dass sie Wolken in seinen Augen sah. Sie stellte sich den Geruch von warmem Regen vor, in einem Sommer, in dem es seit vierzig Tagen keinen einzigen Tropfen Niederschlag gegeben hatte. Sie spürte ganz deutlich, dass ein Sturm aufzog, und begann zu zittern.
    In der Ferne hörte sie Donnergrollen. Er streckte die Hand nach ihr aus.
    Seine Finger bogen sich um ihr Handgelenk wie Stahl.
    Wie Handschellen, die gleich zuschnappen würden.
    In der Millisekunde zwischen Freiheit und Gefangenschaft entriss sie ihm ihre Hand.
    Das Gefühl, gefangen zu sein, war ein Schock für Luciana. Nicht noch einmal. Nie wieder.
    Rasch floh sie durchs Kirchenschiff und zur Tür hinaus. Sie schob sich förmlich durch die Menschenmenge und erkannte, dass sie falsch gelegen hatte mit ihrer Einschätzung, sie könnte dem Mann Paroli bieten. Denn nun entdeckte sie etwas, mit dem sie niemals gerechnet hätte.
    Massimo war nicht da. Er wartete nicht auf sie, wie sie es ihm aufgetragen hatte.
    Ihr Boot lag noch da, verlassen, sicher an der fondamenta vertäut, im Wasser schaukelnd.
    Sie sah sich um.
    Der große Engel trat aus der Kirche und raste auf sie zu wie ein Güterzug. In seinem Gesicht war nicht Wut, sondern reine Konzentration zu lesen. Die schiere Entschlossenheit.
    Dieser Mann ließ nicht zu, dass sich ihm etwas in den Weg stellte.
    Die Erde schien zu zittern, als er die Stufen herunterlief und auf sie zukam. Ein kleines Erdbeben ließ das Pflaster unter ihnen vibrieren. Einen Moment lang glaubte sie, sie hätte es sich nur eingebildet, doch dann spürten es auch die Menschen um sie herum. Sie rannten in alle Richtungen davon, flohen und hielten sich an allem fest, was greifbar war und Sicherheit verhieß: Geländer, Statuen, andere Menschen.
    Luciana sah sich um, suchte nach einem Halt, den sie nicht fand. Also tat sie das Einzige, was ihr übrig blieb.
    Sie rannte los.
    Verdammt, sie war schnell . Schneller, als Brandon gedacht hatte.
    Mit dem Türhüter in ihrem Boot war es einfach gewesen. Er hatte einfach zu langsam reagiert. Brandon hatte ihn in der Ad-ria ausgesetzt, und wahrscheinlich war der Mann immer noch dabei, zurückzuschwimmen.
    Doch Luciana stand auf einem ganz anderen Blatt.
    Sie sah ihn an, sah ihr leeres Boot an – und war im nächsten Moment verschwunden.
    Binnen Sekunden war die Dämonin in der Menge untergetaucht. Hatte sich im schwindenden Tageslicht praktisch in Luft aufgelöst. Im goldenen Licht der Abendsonne versammelten sich Scharen von venezianischen Familien. Auf weiß gedeckten Tischen neben dem Kanal türmten sich Leckereien.Die meisten Leute wanderten über die Floßbrücke in Richtung Innenstadt.
    Inmitten all dieser Bewegung stand Brandon ganz still.
    Er schloss die Augen und konzentrierte sich auf die Stille.
    Und bat in Gedanken um Hilfe, sie zu finden.
    Ich muss sie finden. Ich darf sie nicht entkommen lassen.
    Und dann spürte er ihre Bewegung, ihre negativen Vibratio- nen, bis ins Mark hinein. Sie befand sich westlich von ihm. Als er die Augen wieder öffnete, sah er ihr dunkles Haar im Wind flattern. Sie lief über die Fußgängerbrücke.
    Ohne zu zögern, nahm er die Verfolgung auf.
    Schneller als ein Mensch es jemals sein könnte, schlüpfte sie durch die Menge wie ein flüchtiger Geist. Und doch besaß sie einen menschlichen Körper, das war unübersehbar. Auch ohne sie zu berühren,

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