Im Bann der Dämonin
Geräusch verstummte.
Carlottas Unterlippe zitterte.
„ La baronessa würde niemals ihre Reputation besudeln, indem sie sich in diesem Haus aufhält. Sie hat sich seit Jahren nicht blicken lassen.“
„Aber sie war mal …“
„Ja. Die Schlampe hat einmal hier gearbeitet. Sie war früher noch viel mehr eine Hure, als sie es heute ist.“
Das ist ja mal eine interessante Information, von der nichts in ihrer Akte stand, dachte Brandon sofort. Und es überraschte ihn nicht. Und trotzdem empfand er so etwas wie Mitleid mit ihr. Bisher war es für ihn undenkbar gewesen, für eine Dämonin jemals ein solches Gefühl zu hegen. Doch Luciana war eine Frau mit wohlgehüteten Geheimnissen. Und das faszinierte ihn – trotz aller Gefährlichkeit, die damit verbunden war.
Wie ist sie wohl hier gelandet? Ob sie aus eigenem Willen hier gearbeitet hat? Tausend Fragen gingen ihm durch den Kopf, doch im Moment war nur eine wirklich relevant. „Wo ist sie?“
„In den tiefsten Tiefen der Hölle, wenn es nach mir geht.“ Carlottas Worte klangen verächtlich.
„Ich gebe Ihnen noch eine Chance, meine Frage zu beantworten. Wo ist Luciana?“
Sie grinste.
Da packte er ihren Hals und drückte zu.
Es gibt Regeln, die das Miteinander von Engeln und Dämonen regeln. Arielles Worte klangen in seinen Ohren wider, während er die Dämonin ansah. Regeln, die nicht gebrochen werden dürfen.
Einen Dämon ohne Grund zu töten war eine dieser Regeln.
Es war ihm zwar nicht erlaubt, sie zu töten, aber er konnte die Bordellbesitzerin so nah an den Rand des Todes befördern, wie sein Gewissen es zuließ. Er drückte noch etwas fester zu.
Menschenleben stehen auf dem Spiel, rief er sich in Erinne-rung. Wenn ich Luciana nicht finde, wer weiß, wie viele Men-schen sterben werden.
Carlotta begann zu würgen und versuchte, seine Hand zu packen, um sich aus seinem eisernen Griff zu befreien.
Keines der Mädchen eilte ihr zu Hilfe. Sie standen da wie er-starrt und trauten sich nicht einzugreifen.
Schließlich ließ Brandon von Carlotta ab, die eilig von ihm wegstolperte.
„Sagen Sie mir, wo ich Luciana finde.“
„Ich wusste gar nicht, dass Engel so brutal sind. Seid ihr denn nicht die Botschafter des Friedens?“ Carlotta rieb sich den Hals.
„Sofort!“
„Lucianas Haus kann keiner finden.“ „Wieso nicht?“
Schweigen. Niemand rührte sich.
Carlotta schluckte, und das Geräusch schien aus allen Ecken widerzuhallen. „Weil es komplett aus der menschlichen Erinnerung gelöscht wurde.“
„Wie geht das denn?“, fragte Brandon nun etwas sanfter.
„Luciana stammt aus einem noblen Adelsgeschlecht hier in Venedig. Die Familie Rossetti war früher einmal sehr bekannt und wurde hochgeschätzt wie alle Familien, die im Libro d ’ Oro , dem Goldenen Buch des venezianischen Adels, erwähnt waren. Luciana war die letzte Überlebende aus ihrer Familie. Als siestarb und zur Dämonin wurde, schloss sie einen Pakt mit Satan, um ihr Haus zu beschützen. Er löschte mit eigener Hand den Namen ihrer Familie aus den Archiven der Stadt. Ihr Palazzo war fortan vor dem Blick gewöhnlicher Sterblicher verborgen.“
„Und wie finde ich ihn?“
„Er befindet sich direkt am Canal Grande, wird aber von dunklen Mächten beschützt. Jeder Mensch, der sich an das Haus zu erinnern versucht, kann sich kein einziges Detail merken. Manche spüren die dämonischen Vibrationen, aber sie sind zu schwach, um zu begreifen, was in diesem Haus wirklich vor sich geht. Wir Dämonen kennen den Palazzo dagegen gut.“
„Also bringen Sie mich hin. Sofort!“
Sie sah ihn an und streckte die Hand aus. „Wenn ich Sie dorthin bringen soll, müssen Sie mir eine Entschädigung zahlen.“ „Wie viel?“
Sie nannte eine unfassbar hohe Summe. Brandon stimmte zu. „Ich sorge dafür, dass Sie das Geld bekommen. Ich gebe Ihnen mein Wort darauf.“
„Molto bene“ , sagte sie, endlich zufrieden. „Ich weiß, ihr Engel seid zu selbstgerecht, um ein Versprechen zu brechen. Ich werde Ihnen den Palazzo zeigen. Sie werden nicht vergessen, wo er ist. Aber wir müssen warten, bis es dunkel ist, damit uns ihre Türhüter nicht sehen. Doch ich warne Sie. Auch wenn es Ihnen gelingen sollte, sie zu finden, werden Sie Luciana Rossetti niemals besiegen. Sie ist eine miese, taktierende Schlampe und wird einen Weg finden, um Sie zu töten – oder bei dem Versuch selbst umkommen. Seit Jahrhunderten gelingt es ihr, zu überleben. Wenn Sie denken, jetzt haben sie Luciana gleich
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