Im Bann der Dämonin
überwältigt, denken Sie noch mal. Und bitten Sie Ihren Gott um ein Wunder.“
Als Brandon das Haus betrachtete, zu dem Carlotta ihn geführt hatte, musste er ihr im Stillen recht geben.
Ich brauche ein Wunder.
Der vordere Zugang des Hauses war nur über den Kanal erreichbar, also fuhr Carlotta ihn selbst in einem kleinen Motorboot hin. Als sie langsam an der Fassade des Palazzo vorbeifuhren, verzog Carlotta ihren Mund zu einem schmalen Strich und verbarg ihr Gesicht unter ihrer Kapuze.
„Sie wird mich umbringen, wenn Sie herausfindet, dass ich Sie hergebracht habe.“
Der Palazzo war hell erleuchtet. Die Lichter wurden von der Wasserfläche reflektiert.
Hinter den großen, beeindruckenden Fenstern war keine Spur von Luciana zu sehen.
Doch die Luft vor der Casa Rossetti schimmerte in einem seltsamen, dunklen Glanz, wie Brandon es nie zuvor irgendwo gesehen hatte. Der Palazzo selbst war in hervorragendem Zustand. Die mit Steinmetzarbeiten verzierten Fensterbögen waren in Gold und Lapislazuliblau dezent bemalt. Selbst bei Dunkelheit hob sich die ursprüngliche Fassade dieses Schmuckstücks gegen die verfallenden Nachbarhäuser ab, an denen der Zahn der Zeit und die Elemente ungeschützt nagten.
Als sie näher kamen, bemerkte Brandon, dass der Eingang mit steinernen Dämonenfiguren gesäumt war, die ihre Flügel entspannt ausgebreitet hatten. Ein halbes Dutzend Kobolde, eine kleine Rotte, lungerte in der Ecke des Landungsstegs vor dem Eingang herum, wie Wasserratten, die unter dem Palast lebten. Die Kreaturen zischten das vorübergleitende Boot an, wobei ihre Augen in der Dunkelheit rot glühten.
Über dem Kanal erklang der ferne Gesang einer Frauenstimme.
„Haben Sie das gehört?“ Brandon starrte in die Dunkelheit.
Sie lauschten gemeinsam. Carlotta sah ihn mit zusammenge-kniffenen Augen an.
„Sie sind wohl kurz davor, den Verstand zu verlieren, Engel. Übrigens hält Luciana sich Vipern als Haustiere“, zischte die Bordellbesitzerin ihm zu. „Selbst wenn es Ihnen gelingt, an denSchlangen vorbeizukommen und Luciana zu schnappen, werden Sie sie nie wirklich zu fassen kriegen. Sie wird eher Sie zerstören, bevor es Ihnen gelingt, sie zu zerstören.“
Unweit des Palazzo setzte Carlotta ihn ab und verschwand in der Nacht. Als Nächstes musste Brandon sich einen Platz suchen, von wo aus er Luciana beobachten konnte.
Der Engel wanderte durch die Gässchen rund um die Paläste, die sich in unmittelbarer Nachbarschaft der Casa Rossetti befanden. Irgendwo hier musste er seinen Beobachtungsposten aufschlagen. In einem verlassenen Palazzo mit verrammelten Fenstern gleich gegenüber von ihrem Haus, auf der anderen Seite des Kanals, wurde er fündig.
Er stieß die Tür auf und trat ein. Seine Augen mussten sich erst an die Dunkelheit gewöhnen.
Die Bewegung von sich verkriechendem Ungeziefer und Uringestank. Hohe Wände und ein schmaler Raum.
Träume ich? dachte er irritiert. Nein .
Das ist nicht Detroit.
Das ist Venedig.
Und es ist keine Gasse.
Sondern das Erdgeschoss eines einst prächtigen Nobelhauses. Es bestand aus einem einzigen, langen Zimmer, das sich über die ganze Länge des Palastes erstreckte, und war vollkommen leer. Keine Möbel. Das unbewegliche Inventar stammte aus einem späteren Jahrhundert, aus welchem, konnte er nicht sagen. Die Fenster, die nach hinten gingen, sahen sehr alt aus und bestanden aus verstaubten, fast undurchsichtigen Glasscheiben, die wie Flaschenböden in dem großen Rahmen zusammengesetzt waren.
Er stieg die Treppe hinauf in den ersten Stock. Dort befand sich ein großer Raum, der einst als Ballsaal oder festliches Esszimmer gedient haben mochte. Das Mondlicht schien durch die großen Fenster herein. Die Fresken an den Wänden, Bilderaus längst vergangenen Zeiten, waren abgeblättert und kaum noch zu erkennen. Die verzierten Türrahmen und Decken waren teilweise eingestürzt, der Putz abgebröckelt und abgeplatzt.
Brandon fand einen Platz am Fenster, an dem er von draußen nicht gesehen werden konnte. Von hier aus hatte er einen perfekten Blick auf die Casa Rossetti auf der anderen Straßenseite, ihrem im Gegensatz zu diesem so herrlich gepflegten Palast. Er hatte nicht nur die Eingangstür unmittelbar vor Augen, die sich zum Kanal hin öffnete, sondern auch den Seiteneingang.
Er machte es sich bequem und begann mit der Beobachtung.
Luciana saß in ihrem Labor über den Tisch gebeugt. Die Schnittwunden auf ihrem Rücken waren inzwischen fast verheilt, aber ihr
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