Im Bann der Dämonin
Bars tummelten sich betrun-kene Gäste, und auf den Kanälen waren Einheimische wie Touristen in Scharen unterwegs, um gemeinsam zu schauen und zu feiern.
Die Venezianer waren Meister im Feiern. Seit Jahrhunderten hatten sie ein Faible für die Kunst der Orgie. Auf einem Boot trafen Männer mit freiem Oberkörper gerade Vorbereitungen für die Festivitäten. Sowie sie Luciana erblickten, pfiffen sie hinter ihr her.
„Che bellissima!“ , rief einer von ihnen. „Ciao, bella!“
Ah, sì . Das Pfeifen. Das war noch etwas, in dem die venezianischen Männer Meister waren.
Normalerweise ignorierte sie solche Typen. Schon seit ihrer Jugendzeit, als sie gerade erst zur Frau herangereift war. Doch jetzt schenkte sie den Männern ihr rätselhaftes Lächeln undrief zurück: „Te lo puoi sognare!“
In deinen Träumen …
Über dem Meer schien ein heller Vollmond in einer Nacht, die gerade hereingebrochen war.
Brandon Clarkson war undercover unterwegs im heruntergekommensten Bezirk von Detroit. Sein Körper war schmutzig, weil Brandon seit Tagen nicht geduscht hatte, in seinen Lungen brannte die Erschöpfung. Seine zerrissenen Jeans und die Lederjacke waren schmuddelig und nur noch für den Müll geeignet.
Niemand würde ihn in diesem Zustand für den halten, der er war.
Ein Cop.
Und nicht einer von diesen Drogendealern, denen er seit Monaten auf der Spur war.
Er huschte in eine dunkle Gasse und folgte den Kriminellen, die er gleich hochgehen lassen würde. Er war nah dran, ganz nah dran. Sie waren hier, das war so sicher wie das Amen in der Kirche. Er spürte ihren Herzschlag, fühlte ihren Atem in der kühlen nächtlichen Brise. Ihr Geruch hing in der Luft, neben dem Gestank von Urin und Müll, der in der Dunkelheit verrottete. Das Geflirr von unsichtbarem Ungeziefer, tierischer wie menschlicher Art, in den Schatten verborgen, umgab ihn.
Doch sein Bauchgefühl warnte ihn. Eine kleine Stimme in seinem Inneren flüsterte ihm zu, dass hier etwas nicht stimmte.
Es roch nach Ärger.
Aber sein Verstand ignorierte die Warnung. Mit einer klaren und deutlichen Botschaft: Seit sechs Monaten jagst du diese Verbrecher. Das ist womöglich deine einzige Chance, sie zu kriegen.
Es war längst Zeit, diese Mistkerle zu schnappen. Er kannteihre Gewohnheiten. Wusste um den immensen Umfang ihres Handels. Hatte Stoff im Wert ganzer Lagerhäuser voll mit Heroin und Kokain durch ihre Hände gehen sehen. So viel, dass man damit die ganze Stadt Detroit für eine volle Woche high machen könnte.
Er trat einen Schritt nach vorn, weiter in die Gasse hinein, und hielt dabei seine Waffe schussbreit.
Heute Nacht ist es so weit, sagte er zu sich selbst. Das Ende steht kurz bevor .
Da hörte er ein Geräusch hinter sich. Schnelle Schritte auf dem Asphalt. Und einen so lauten Knall, dass er dachte, sein Trommelfell platzte. Dann fühlte es sich an, als ob seine Wirbelsäule zerbersten würde. Da war ein sengender Schmerz, der sich wie heiße Lava in seinen Gliedmaßen ausbreitete, stärker als jeder Schmerz, den er jemals empfunden hatte. Eine Art Explosion, die nur von einer Kugel stammen konnte.
Er fiel nach vorn, zerrissen, das Gerüst aus Fleisch und Knochen plötzlich nicht mehr vorhanden.
Er hörte, wie die Schritte näher kamen.
Verharrten.
Er lag im Sterben. Das wusste er. Er lag auf der Seite und konnte spüren, wie sein Leben aus dem Loch in seinem Rücken rann. Er schob eine Hand in die Tasche. Zog eine silberne Taschenuhr heraus, die er immer bei sich trug, und fuhr mit den Fingern über den eingravierten Heiligen Michael auf der Rückseite.
Brandon flehte den Schutzpatron der Polizisten und Soldaten um Hilfe an.
„Heiliger Erzengel Michael, verteidige uns im Kampf gegen die Bosheit und die Nachstellungen des Teufels …“
Er presste die alte Uhr auf sein Herz, spürte, wie sein Hemd feucht von Blut wurde. Verstand, dass die Kugel seinen Kör-per durchschlagen hatte. Er verblutete, zum Sterben zurückge-lassen in dieser verdreckten Gasse.
Ganz nah neben seinem Ohr stand jemand. Er hörte das Scharren von Schuhen.
Dann ein zweiter Schuss von hinten, der ihn in den Schädel traf.
Der Tod kam sofort. Doch der letzte Moment von Brandons menschlicher Existenz, in Wirklichkeit kürzer als ein Atemhauch, erstreckte sich in seinem Empfinden über eine Ewigkeit, die sein ganzes Leben zu umfassen schien.
Das Letzte, was Brandon mit seinen menschlichen Augen wahrnahm, war seine Uhr. Ein letztes Mal sah er ihren kleinen Zeiger
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