Im Bann der Dämonin
selbst auszuüben. Auch wenn er noch nicht wirklich bereit dazu ist.
„Sie bluffen“, sagte der Engel. „Wenn Sie eine solche Menge Gift besäßen, hätten Sie es schon längst benutzt.“ „Ach ja? Riskieren Sie es! Gehen Sie das Risiko ein! Wenn Sie mir nicht glauben, probieren Sie es einfach aus! Legen Sie mir die Handschellen an! Bringen Sie mich fort!“
„Sie würden es nicht wagen, dieses Gift einzusetzen. Sie wissen, dass die Spielregeln zwischen Engeln und Dämonen nicht verletzt werden dürfen.“
„Regeln sind dazu da, um gebrochen zu werden. Oder zumindest, um sie zu umgehen. Also, fordern Sie mich heraus!“ „Was schlagen Sie vor?“
„Denken Sie doch mal darüber nach, die Seiten zu wechseln.“ Luciana schob ihre Hand auf seinem Oberschenkel weiter nach oben. „Ich spüre, dass da etwas in Ihnen ist, das anders ist alsbei den anderen. Etwas Dunkles.“
Sie sah ihn an. Ihr entging nicht, wie er gegen seine Lust ankämpfte, las die Qual in seinen regengrauen Augen, bemerkte den angespannten Kiefer, obwohl er versuchte, nach außen weiter cool und abgeklärt zu wirken.
„Wie kann man Sie dazu bringen, zu kooperieren?“ „Wieso sollte ich kooperieren?“
„Weil Sie die Macht haben, das Richtige zu tun.“
„Erzählen Sie mir nichts davon, was richtig ist. Sie haben keine Vorstellung, was ich ertragen musste, um dahin zu kommen, wo ich jetzt bin. Sie glauben, Venedig ist schön und eine heilige Stadt. Sie kennen das wahre Venedig nicht.“ Sie spuckte die Worte verächtlich aus. „Merken Sie das nicht? Diese Stadt versinkt in Elend und Tod. Keine zweihundert Meter von hier wurden Gefangene gefoltert. Es gibt ein ganzes Museum voll mit Waffen und Folterinstrumenten. Ich kann Sie gerne einmal in die Gefängniszellen unter dem Dogenpalast führen. Eine Reise in die Hölle, ohne Venedig zu verlassen.“
„Nein danke“, erwiderte er und zwang sie, den Blick abzuwenden.
„Wenn Sie genau hinsehen, entdecken Sie die Unterwelt mitten in der Stadt. Eingemeißelt in die Architektur. Wasserspeier und Kobolde, die in Ecken kauern, auf Vorsprüngen hocken, sich in den Schatten unter den Dachtraufen verbergen. Es gibt sogar einen satanischen Löwenkopf aus Stein, der einen Palazzo in der Calle Diedo ziert. Und auf der Fassade des Ospedale Civile , des städtischen Krankenhauses, prangt eine Wandmalerei aus dem sechzehnten Jahrhundert, die einen Mörder darstellt, der ein menschliches Herz in der Hand hält. Er selbst hat es seiner Mutter herausgerissen.“
„Wer Hass sucht, wird ihn finden.“
„Sie sollten niemals die Anwesenheit des Bösen unterschätzen. Das Böse existiert. Hier. Es ist real. Wenn Sie mir nicht glauben, kann ich es Ihnen zeigen. Die Venezianer glaubteneinst, in der Lagune würde ein Drache leben, der nur durch die Ruder der Gondoliere beschwichtigt werden konnte. Glauben Sie, dieser Mythos gründet sich eher auf abergläubische Ängste, oder glauben Sie, dass etwas Wahres daran ist?“
Beim nächsten Ruderschlag des Gondoliere begann sich das Wasser um das Boot herum zu kräuseln. Das Gewässer wurde aufgewirbelt, und etwas kam an Oberfläche.
Es war der lange, echsenähnliche Rücken eines Wesens, das aussah wie eine riesige Schlange.
Brandon blinzelte. Er wollte seinen Augen nicht trauen.
Er griff nach der Pistole in seinem Holster, doch beides war nicht da.
Seit zehn Jahren war beides nicht da.
Was immer das ist, ein Traum ist es nicht, schoss es ihm durch den Kopf.
Da stieg der Drache auf, riesenhaft und wütend. Wasser rann von seinem Leib, als er sich aus dem Kanal und über die Gondel erhob. Sein massiger Körper, so groß wie der eines Nashorns und dennoch so geschmeidig wie der einer Anakonda, schwebte über ihnen. Das Wesen hatte die gleichen grün funkelnden Augen wie Luciana und starrte Brandon zornig an.
Obwohl sein Herz wie wild hämmerte und er nur einen Wunsch hatte: vor diesem Wesen aus der Unterwelt zu fliehen.
Brandon musste nicht überlegen, was er zu tun hatte. Nicht den Drachen, sondern die Dämonin sah er an und sagte dann vollkommen gefasst: „Schicken Sie ihn zurück! Aus welchen Tiefen der Hölle Sie das Vieh hervorgezaubert haben mögen -schicken Sie es dorthin zurück!“
„Wieso sollte ich?“
Der Engel wandte den Blick nicht von ihr ab. „Weil es nicht in diese Welt gehört.“
Drei Meter über ihnen öffnete das Monster sein Maul und stieß einen Feuerstrahl aus, der die Luft neben Brandons Kopf in Flammen setzte. Der
Weitere Kostenlose Bücher