Im Bann der Dämonin
du etwa, dein Heiliger wird kommen und dich retten? Dein großer, tätowierter Freak wird nicht auftauchen, um dich zu erlösen. Es ist genau andersherum. Dein Job ist es, ihn hierherzubringen.“
Er zog sie an den Haaren wieder auf die Füße.
„Unsere kleine Tour durch die Hölle ist noch nicht zu Ende. Wir wollen dein Gedächtnis noch ein bisschen mehr auffrischen. Das kleine Hotel, in dem Julian sein Zimmer hatte. Wo du ihm deine Jungfräulichkeit geschenkt hast. Und da ist …“
Sie wusste genau, was kommen würde.
Die eine Sache, die sie versucht hatte zu vergessen.
Die eine Sache, über die sie nicht mit Brandon reden konnte, weil sie den Mut dazu nicht aufbrachte.
„… der Ort, an dem du versucht hast, dich zu erhängen, nachdem er dich verlassen hat. Aber es hat nicht funktioniert, nicht wahr? Nachdem dir klar wurde, dass du deine Familie nicht retten kannst. Nachdem dir klar wurde, dass du versagt hattest. Bewundernswert, dass du es noch mal probiert hast nach diesem Desaster. Und sieh mal, hier ist auch der Trottel, der dich aus deiner misslichen Lage befreien wollte. Harcourt. Meine Güte, der ist aber alt geworden, was?“
Sie hatte Harcourt seit über zweihundert Jahren nicht gesehen – seit er sich aus der Hölle nach oben gekämpft hatte. SeineHaut sah verwittert aus, verschrumpelt, älter als alles, was sie jemals gesehen hatte. Sein Kopf quietschte, als er sich zu ihr umdrehte.
„Ah, meine Liebe.“ Er streckte die Hand nach ihr aus. „Luciana, meine kleine todbringende Braut. Ich habe immer davon geträumt, was ich mit dir anstellen würde, wenn wir uns wiedertreffen.“
Mit seiner uralten, prankigen Hand packte er sie und schnappte sich ihren Arm. Sie wollte schreien, aber sie erkannte, dass das Harcourt eher in einen Rausch versetzen würde, aus dem es kein Entrinnen gab. Sie erschauderte, sowie sich seine knochige Pranke zu ihren Brüsten schob.
„So frisch …“, stieß Harcourt stöhnend aus.
„Vielleicht können wir ja eine Wiedervereinigung von euch beiden für später arrangieren“, meinte Corbin lachend und riss sie weg von ihm. „Aber jetzt müssen wir weiter. Denn es gibt noch eine Sache, die ich dir gern zeigen würde.“
Er zerrte sie an den Haaren in einen weiteren Raum, der Carlottas Bordell glich. In der Mitte des mit Blutflecken beschmutzten Zimmers lag ein Haufen zerstückelter Leichen. Unter ihnen entdeckte Luciana die zerschundenen, blutigen Gesichter einiger der Mädchen, deren Kollegin sie vor langer Zeit gewesen war. Es gab auch andere, die sie nur vom Sehen und nicht persönlich kannte. Sie hatte sie erst vor Kurzem bei Carlotta herumlaufen und lachen sehen. Atmen.
Auch das Gesicht ihrer Schwester sah sie, ihre grünen Augen starr und kalt.
„Carlotta ist sogar in der Hölle tot. Du kannst nichts tun, um sie hier noch einmal herauszuholen.“
Luciana betrachtete den Leichenberg. Tote um Tote waren hier aufgeschichtet.
Und sie erkannte plötzlich, wer sie selbst wirklich war: ein Todbringer.
Eine Person, die anderen nichts als Leid brachte. Auch wennsie diese Frauen nicht eigenhändig umgebracht hatte, war sie dennoch eine Mörderin. Auch sie hatte viele Männer und Frauen umgebracht.
Und jetzt hatte Satan höchstpersönlich ihr den frevelhaftesten und abscheulichsten Auftrag erteilt.
Einen Engel zu töten.
Nicht einfach irgendeinen Engel, sondern einen Mann, der begonnen hatte, ihr zu vertrauen.
Einen Mann, der sie liebte.
„Was ist der Unterschied zwischen deiner Version der Hölle und der Version auf der Erde?“, fragte sie Corbin, ehrlich verwirrt.
Wieder schlug er ihr ins Gesicht. So fest diesmal, dass ihre Lippe aufplatzte und Blut an ihrem Kinn herunterlief. Sein gelassener Gesichtsausdruck veränderte sich nicht. „Pass auf, was du sagst!“
Sie schaute ihn wütend an. „Im Ernst, ich weiß es nicht. Ob man ein Sklave in der Hölle oder ein Sklave auf der Erde ist … Beides hat mit Leid zu tun. Was haben diese Frauen getan, dass sie diesen Tod verdient haben? Nichts. Manche von ihnen waren keine schlechten Frauen. Sie waren nicht einmal Dämonen. Sie waren Menschen. Was gab dir das Recht, sie zu töten?“
„Ich habe jedes Recht der Welt. Ich bin ein Erzdämon.“
Wenn ich hier unten bleibe, wird Brandon vielleicht einfach verschwinden, dachte sie plötzlich. Und zurück nach Amerika gehen, wenn er feststellt, dass mir zuteilwird, was ich verdiene. Dass seine Mission damit beendet ist, wenn auch anders als geplant.
„Oh
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