Im Bann der Dämonin
sie retten sollte oder wie.
Ein einzelner Gegenstand konnte die Erinnerung an das verlorene Vermächtnis ihrer Familie nicht bewahren.
Sie öffnete die Tür zu ihrem Labor und sah die Phiolen voller Gift, an denen sie so lange gearbeitet hatte. Ordentlich aufgereiht standen sie auf dem Tisch. Sie schnappte sich eine Handvoll.
Jetzt fraßen sich die Flammen in Windeseile über den Flur bis zu ihr.
Sie wollte nicht länger Teil dieser Welt sein.
Man hatte sie besiegt. Luciana sank auf die Knie und schämte sich. Schämte sich dafür, dass das Einzige, was sie aus dem Haus ihrer Familie retten würde, ausgerechnet etwas war, was noch schlechter und böser war als sie selbst.
Denn es war ihr erster Impuls gewesen, das mitzunehmen, was ihr am wichtigsten von allem war.
Ihr Gift.
Mit der letzten ihr verbliebenen Kraft kroch sie auf die Flammen zu.
Verschlingt mich! war alles, was sie denken konnte.
Und dann wurde sie von einer Macht angezogen, die stärker als alles Irdische war. Es war nicht das Feuer. Nicht die Hitze.
Sondern er.
Er trat aus den Flammen hervor, groß und unerschütterlich und unerschrocken wie immer.
Als sie ihn erblickte, wusste sie ohne jeden Zweifel, warum man ihn zu einem Schutzengel gemacht hatte. Die Tatsache, dass er sich selbst für eine Frau in Gefahr begab, die ihm gerade erst eine Giftspritze verabreicht und ihn hilflos liegengelassen hatte … Am liebsten hätte sie geweint, mitten in den Flammen.
„Es gibt nur einen Ausweg“, rief er ihr durch das Getöse des Feuers zu. Und seine Stimme, ganz rau vom Rauch, dröhnte in ihren Ohren. „Du musst mit mir kommen!“
Sie kniete immer noch da, vollkommen paralysiert. Was wäre, wenn sie sich einfach ihm überantwortete?
Eine Katastrophe.
Seine Finger öffneten ihre zur Faust geballte Hand und zwangen sie, die Gift-Phiolen fallen zu lassen. Dann hob er sie auf. „Komm!“
Er rannte zur Treppe und zog sie mit sich, doch da war kein Durchkommen mehr. Nach unten konnten sie nicht mehr, sie konnten nur noch nach oben flüchten, und das taten sie auch. Hinauf aufs Dach. Er zerrte sie durch den Palast. Bis sie draußen waren, an der Luft, die kühl in ihren Lungen brannte.
Sie standen auf dem Dach, und es war, als stünden sie auf einem Lagerfeuer, auf dem obersten Scheit, der noch von den Flammen verzehrt werden musste. Brandon zog sie zum Rand des Daches.
„Spring!“
Das Getöse war ohrenbetäubend. Luciana dachte an die Bilder aus der Hölle. Sie sah Harcourt. Den Berg von Frauenleichen. Carlotta.
„Steh nicht rum! Spring endlich!“
Schließlich nahm er ihr die Entscheidung ab. Es gab nur noch ihn.
Er nahm sie in die Arme und sprang vom Dach. In diesem Moment explodierte das Haus in einem Feuerball. Die brennende Hitze brachte den Nachthimmel zum Glühen.
Sie stürzten in einem eleganten Bogen in die Tiefe, und sie wünschte, ihr Sturz könnte endlos währen. Ein grauer Regen umgab sie. Nicht aus Federn diesmal, sondern aus der Asche ihres Zuhauses.
Er kannte genau den Moment, in dem er sie verloren hatte. Nicht ihren Körper, sondern ihre Seele.
Es war der Moment, als er vom Dach sprang und sie mit sich zog.
Du kannst niemanden zu einem Sprung des Glaubens zwingen .
Doch er versuchte es, indem er sie in die Arme nahm und mit ihr in die Dunkelheit hineinsprang. Vielleicht würden sie ja in einer Traumlandschaft landen?
Doch sie landeten in der echten Welt, im trüben Wasser des Canal Grande.
Und gingen unter.
Sie tauchten so tief ins Wasser ein, und es war so kalt und dunkel hier, dass Luciana am liebsten hierbleiben würde. Unter Wasser. Sie würde auf den Drachen warten, den sie herbeirufen könnte, um sie an einen anderen Ort zu bringen. Zu den Leichen ihrer zahlreichen Opfer, die sie hier im Lauf der Jahrhunderte versenkt hatte. Oder zum Fährmann Satans, der in seiner schwarzen Bestattergondel ihre Körper hinüber in die Unterwelt ruderte.
Wer auch immer sie abholen würde – das Ziel blieb dasselbe.
Doch Brandon gab nicht auf. Dieser Mann war unverwüst-lich. Er zog sie zurück nach oben, an die Wasseroberfläche, bis ihre Lungen wieder Luft atmeten und tief in ihrem Inneren ihr Überlebenswille wieder aktiviert wurde.
Doch ihr Leben war zu einem einzigen Schmerz geworden.
Sie wollte schreien, stattdessen drang aus ihrer Kehle nur ein leises Wimmern. Es klang so schwach und kläglich, als wäre ihre Stimme, ihre Seele, zusammen mit ihrem Palazzo von den Flammen verschlungen worden.
Und dann hörte
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