Im Bann der Gefuehle
Kind abgesehen hatte, was wollte er dann von ihr?
Seit man ihm an diesem Morgen von dem üblen Stadtteil berichtet hatte, in dem Carys lebte, kämpfte Alessandro mit seiner Geduld. Er fand es unmöglich, dass sie sich auf einen Mann eingelassen hatte, der ganz offensichtlich nicht ordentlich für sie und das Kind sorgte.
Außerdem ärgerte er sich darüber, dass ihm Carys’ Schicksal tief genug unter die Haut ging, um seine ernsthafte Besorgnis zu erregen. Was war er nur für ein Idiot? Immerhin hatte sie ihn verlassen und alles beendet, was jemals zwischen ihnen gewesen war. Und genau das sollte er jetzt ebenfalls tun – seine Selbstachtung und seine Würde diktierten es ihm.
Nur musste er zuvor genau herausfinden, was sich während seiner verlorenen Monate zugetragen hatte. Diese ungeklärte intime Verbindung zwischen ihnen ließ ihn nicht los, und sie war wesentlich stärker als die kühle Logik, mit der er für gewöhnlich sein Leben in die Hand nahm.
Trotz Carys’ Antipathie und dieses Kindes, das sie von einem anderen Mann bekommen hatte, überfiel ihn eine besitzergreifende Gier, wann immer sie in seine Nähe kam – und diese Gier fraß ihn langsam auf. Diese störenden Gefühle waren ihm gänzlich unbekannt, genau wie die verwirrenden erotischen Bilder, die durch seinen Kopf geisterten. Ob es Fetzen seiner unruhigen Träume oder echte Erinnerungssplitter waren, vermochte er nicht auseinanderzuhalten.
Alessandro wollte Carys für die Sorgen hassen, die er sich gegen seinen Willen um sie machte. Ihm fielen die dunklen Ränder unter ihren Augen auf, für die man sicherlich mehr als nur eine Nacht lang Überstunden machen musste. Als Nächstes fiel sein Blick auf ihren abgetragenen Mantel, dessen fragwürdiger Zustand ihm erst jetzt auffiel. Vergangene Nacht war er von seinem unwillkommenen Verlangen abgelenkt gewesen und hatte der Qualität ihrer Kleidung keine weitere Aufmerksamkeit geschenkt.
„Wo ist eigentlich dein Freund? Warum hilft er dir nicht?“ Seine Fragen klangen ungewöhnlich gereizt. Normalerweise ließ er sich nicht so leicht in die Karten schauen. Aber nur ein einziger Blick in Carys’ Augen verriet ihm, dass sie etwas zu verbergen hatte.
Schnell drehte sie ihren Kopf zur Seite. „Ich komme gut zurecht und brauche niemanden.“
„Natürlich tust du das. Außerdem solltest du nicht in dieser üblen Gegend leben. Nicht mit einem kleinen Kind.“ Die trostlose Umgebung, die man durch die getönten Scheiben der Limousine beobachten konnte, gab ihm recht. „Er sollte dich nach Kräften unterstützen.“
Ihre Lippen blieben versiegelt, dabei hätte Alessandro es in diesem Moment nur zu gern auf eine hitzige Auseinandersetzung ankommen lassen. Das war ungewöhnlich, nachdem er sonst ein wahrer Meister darin war, seine Emotionen fest im Zaum zu halten und seine Ziele überlegt und mit kühlem Kopf anzusteuern.
Aber diese Frau, die nun so dicht neben ihm saß, brachte ihn aus der Fassung. Allein die letzten vierundzwanzig Stunden waren eine Achterbahnfahrt der Gefühle für ihn gewesen, und an Kontrolle und Überblick war schon lange nicht mehr zu denken.
Ein Zustand, den Alessandro zutiefst verabscheute.
„Wer ist es, Carys? Wieso schützt du ihn?“
Weil sie ihn liebte, diese Antwort war für Alessandro die einzige Erklärung dafür, warum man sich mit einem solchen Leben abfinden sollte. Seine Lippen wurden schmaler. Es ging ihn überhaupt nichts an, und doch konnte er das Thema einfach nicht fallen lassen.
„Ich schütze überhaupt niemanden“, verteidigte sie sich. „Da gibt es schlichtweg keinen Mann. Was ich dir über mich erzählt habe …“
„Du hast angedeutet, ihr hättet Streit gehabt. Was kein Grund dafür ist, Mutter und Kind einfach im Stich zu lassen.“
Angewidert rümpfte er die Nase, aber am meisten störte ihn die Tatsache, dass Carys von einem anderen Mann schwanger geworden war. Warum verletzte ihn dieser Gedanke so sehr? Was hatte diese Frau bloß an sich, um eine solche Reaktion in ihm hervorzurufen?
Schweigend und mit starrer Miene sah sie ihn an.
„Ist es jemand, mit dem du zusammenarbeitest?“, wollte er wissen und bekam mittlerweile nicht einmal mehr seine Zähne auseinander. „Oder ist er verheiratet? Ist es das?“
Diese ganze Situation wirkte auf Carys völlig unreal. Alessandros Gesichtsausdruck war nicht zu deuten, aber seine Entschlossenheit, Details aus ihrem Leben zu erfahren, ängstigte sie.
„Es gibt keinen Mann in meinem
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