Im Bann Der Herzen
breitete die Arme vor dem Fenster aus. »Ist das nicht perfekt? Es könnte nicht perfekter sein.«
»Nein, wirklich nicht«, meinte Chastity. »Und du weißt, was jetzt kommt.«
»Geschenke«, sagte Sarah und wickelte den langen Schal vom Hals. »Ich bin ja so aufgeregt. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich jemals so aufgeregt war. Stimmt's, Papa?«
Gideon schüttelte ernst den Kopf. »Ich glaube nicht.«
»Wenn um eins gegessen wird, sollten wir mit der Bescherung nicht länger warten«, sagte Tante Agatha. »Meinst du nicht auch, Edith? Die Dienstboten werden sicher schon feiern wollen.«
»Ja, natürlich, Tante Agatha, du hast ganz Recht.« Chastity wechselte einen viel sagenden Blick mit ihren Schwestern. Die Tanten hielten gern den Anschein aufrecht, sie stünden dem Haushalt ihres Bruders vor, eine Fiktion, die zu korrigieren die Schwestern erst gar nicht versuchten.
»Gebt uns fünf Minuten, um die Mäntel abzulegen«, sagte Prudence. »Wir sind voller Schnee.«
»Dazu brauche ich keine drei Minuten«, erklärte Sarah und lief zur Tür. »Kommst du mit, Mary?«
Mary Winston lächelte. »Ich bin dir auf den Fersen.«
Prudence folgte ihnen und blieb nur stehen, um zu Chastity zu bemerken: »Hübsche Perlen, Chas. Und der Schal gefällt mir besonders. Beides kenne ich noch gar nicht.«
»Nein. Ich besitze beides erst seit heute Morgen.«
Der Blick ihrer Schwester flog zu Douglas Farrell, der mit seinem Whiskey neben dem Kamin stand. Ihre Brauen hoben sich unmerklich, dann neigte sie den Kopf, als wolle sie ihm ein Kompliment machen, und folgte Stieftochter und Gatten hinaus.
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15
»Der Titel eines Liedes?«, riet Chastity, als Sarah die glaubwürdige Imitation einer Opernsängerin lieferte. Das strahlende Mädchen gestikulierte und nickte heftig. Es war nach Tisch, und allein Sarah schien noch genug Energie für das Scharadenspiel zu besitzen, während die meisten Erwachsenen nur dem Kind zuliebe ihr Bestes gaben.
Der Schnee, der zunehmend dichter fiel, steigerte das Gefühl der Lethargie nach Tisch. Die Tanten hatten sich für ihr Nachmittagsschläfchen zurückgezogen. Lord Duncan schnarchte leise neben dem Feuer, und die Contessa war in einem tiefen Ohrensessel diskret eingenickt. Laura saß da und widmete sich auffallend ihrem Weihnachtsgeschenk von Douglas. Ab und zu, wenn das Scharadenspiel zu laut wurde, blickte sie mit gequälter Miene auf, stieß einen tiefen Seufzer aus und widmete sich dann wieder ihrer Lektüre. Alle anderen kämpften mit unterdrückten Gähnattacken, bereuten die zweite Portion Weihnachtspudding und heuchelten angestrengt lebhaftes Interesse an Scharaden.
In ein weißes Bettlaken gehüllt, eine Toastgabel schwingend, tat Sarah mit hochmütig zurückgeworfenem Kopf und gebieterisch deutendem Zeigefinger pantomimisch ihr Bestes, um etwas auszudrücken. Ihr Publikum beugte sich aufmerksam, wenn auch ratlos vor, und die Mimik des Kindes wurde zunehmend grotesker.
Douglas stand auf und ging ans Sideboard, um sich ein Glas Port einzuschenken. An der Wand stehend trank er langsam und beobachtete Sarah eine Weile mit gerunzelter Stirn, um dann mit einem Fingerschnalzen auszurufen: »>R u le Britannia<«, worauf ein sonniges Lächeln das Gesicht des Mädchens erhellte.
»Erraten ... wie bist du dahinter gekommen?«
»Du bist eine sehr gute Schauspielerin«, lobte er.
»Bravo, Douglas«, rief Chastity aus und applaudierte ihm. »Gut gemacht, Sarah.« Abgesehen von den Schlafenden und Laura klatschten alle mit, und Sarah strahlte und verbeugte sich übertrieben.
»Wer ist jetzt dran?«, fragte sie eifrig.
»Ich glaube, wir müssen jetzt etwas anderes versuchen«, sagte ihr Vater mit einem tiefen Gähnen. »Ich brauche Bewegung, wenn ich nicht einschlafen soll.« Er stand auf und streckte sich. »Ich hätte nichts gegen einen Spaziergang einzuwenden.«
»Aber nicht bei diesem Wetter«, wandte Max ein, auf die verschneite Fensterscheibe deutend.
»Wir könnten ein anderes Spiel spielen«, schlug Sarah hoffnungsvoll vor.
»Ich weiß«, sagte Prudence. »>Sardinen<. Das wird uns munter machen.« Sie ignorierte das Proteststöhnen ihres Mannes.
»Wie spielt man >Sardinen«, fragte Sarah.
»Also ... Das Los bestimmt, wer sich verstecken muss. Nach zehn Minuten begeben sich die anderen auf die Suche nach ihm oder ihr. Wenn jemand den Gesuchten findet, muss er sich mit ihm am selben Ort verstecken, bis am Ende nur mehr eine Person suchend
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