Im Bann Der Herzen
Mund offen stehen. Sie starrte ihn an, bis sie merkte, dass ihr Mund offen stand, als hätten ihre Kiefermuskeln versagt. Hastig klappte sie ihn zu. »Frauen im Besonderen«, echote sie. »Arroganter, voreingenommener und gedankenloser geht es wohl nicht. Sie wagen von Selbstgefälligkeit und Denkfaulheit zu reden ... Allmächtiger.« Sie stieß in heftigem und hörbarem Widerwillen den Atem durch die Lippen aus. »Arzt, hilf dir selbst.«
Ein winziges Lächeln berührte Douglas' Mund und ließ die Mundwinkel zucken. Lachen tanzte in den schwarzen Augen. »Mea culpa«, sagte er und warf die Hände in einer Geste der Niederlage in die Höhe. »Hätte ich geahnt, dass ich eine geborene Kämpferin damit reize, hätte ich auf meine Worte geachtet.«
»Sie hätten darauf geachtet, sie aber nicht berichtigt«, konterte sie.
»Ich gebe zu, dass jede Regel Ausnahmen hat«, gestand er ernst, wobei sein Ernst leider von dem fortgesetzten Lächeln in Augen und Mund Lügen gestraft wurde. »Wie auch nicht, wenn ich mich selbst in Gesellschaft einer solchen befinde?«
Chastity bemühte sich, ihre würdige Entrüstung beizubehalten, doch hatte sein Lächeln etwas an sich, dass es ihr unmöglich machte. Es war ein sehr anerkennendes Lächeln mit nur einem Anflug reuiger Erkenntnis in den Tiefen. Unwillkürlich verzogen sich ihre Lippen amüsiert nach oben. »Für diese spezielle Regel gibt es mehr als nur eine Ausnahme«, sagte sie. »Ich glaube, Sie kennen meine Schwestern.«
»O ja.« Er nickte. »Zwar konnte ich mich mit keiner der beiden ausführlich unterhalten, doch bin ich sicher, dass es sich um sehr intelligente, analytische und zu tiefem Denken befähigte Frauen handelt.«
Chastity verschränkte die Arme. »Sie haben The Mayfair Lady gelesen. Was ist mit den Frauen, die für das Blatt schreiben? Sind die denkfaul, selbstgefällig, voreingenommen?«
»Wahrscheinlich nicht«, musste er zugeben. »Aber einige Artikel darin wenden sich an Frauen dieses Typs. Das müssen Sie zugeben.«
Chastity ließ diese Antwort durchgehen. Es war einfacher, als sich daran zu erinnern, dass sie und ihre Schwestern sehr oft Ansichten, die jenen des Doktors glichen, über die Damen geäußert hatten, die die Mehrheit ihrer Leserschaft bildeten. »Und was ist mit den Suffragetten?«, fragte sie herausfordernd. »An ihnen und ihrem Ziel ist nichts selbstzufrieden.«
»Nein.«
»Und was halten Sie von der Sache? Sollen Frauen das Stimmrecht bekommen?«
Sie merkte, dass ihr Ton nun schärfer war, als unterzöge nun sie ihn einer Prüfung.
Douglas, dem das nicht entging, ahnte, dass dies ein Thema war, das Miss Duncan sehr am Herzen lag. Ebenso klar war, auf welcher Seite des Zaunes sie stand. »Im Prinzip bin ich nicht dagegen«, formulierte er vorsichtig.
»Aber in der Praxis sind Sie es.« Sie lehnte sich mit einem leisen Seufzer zurück, der zu sagen schien: >Ich wusste es ja.<
»Nein, nein, Moment.« Er hob gebieterisch den Finger. »Eine höchst komplizierte Frage. Die meisten Frauen, die ich kenne, wollen das Stimmrecht gar nicht und wüssten nicht, was sie damit anfangen sollten. Meine Mutter und meine Schwestern fühlen sich in ihrer ureigenen Sphäre einflussreich genug, und sie sind es in der Tat.«
»In ihrer eigenen Sphäre«, sagte Chastity. »Das ist genau das übliche Argument. Frauen haben ihre Welt und Männer die ihre. Und nie werden die zwei aufeinander treffen. Allen ist klar, welche der beiden die mächtigere und bedeutendere ist«, setzte sie hinzu, wobei sie dachte, dass sie allmählich so belehrend klang wie Constance. Meist konnte sie beide Seiten eines jeden Themas sehen, aber aus irgendeinem Grund bewirkte Douglas Farrell, dass sie einseitig argumentierte.
»Ich glaube, wir sollten uns darauf einigen, dass wir in diesem Fall uneins sind«, bot Douglas an. »Ich bin nicht gegen die Idee an sich, würde nur zögern, sie in die Praxis umzusetzen, ehe die Mehrzahl der Frauen nicht die Bildung und Fähigkeit erlangt haben, über die häusliche Sphäre hinaus zu denken und sich für weiter reichende Themen zu interessieren, die bislang Domäne der Männer waren.« Er hatte geglaubt, eine diplomatische Formulierung gefunden zu haben, seine Begleiterin war jedoch nicht dieser Meinung.
»Kein Wunder, dass Sie eine Ehe nicht erstrebenswert finden«, bemerkte sie mit verwirrend einschmeichelndem Ton. »Wie könnten Sie auch - Sie, mit Ihrem überholten und voreingenommenen Frauenbild? Und ich könnte mir denken,
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