Im Bann Der Herzen
Winthrops und David Lucans die Kirche St. George am Hanover Square verließen.
»Ja, die erste richtige von uns eingefädelte Hochzeit«, sagte Prudence.
»Von Amelia und Henry abgesehen«, rief Chastity ihnen in Erinnerung.
»Die zählen nicht richtig, weil wir von ihnen nichts verlangten«, stellte Prudence klar.
»Aber weder Hester noch David wussten, dass sie vermittelt wurden ... wenn man das so formulieren kann«, wandte Chastity ein.
»Kann man nicht«, gab Constance ihr Recht. »Aber es beschreibt die Sache gut. Jedenfalls haben sie dafür bezahlt, oder zumindest ihre Mütter, wenngleich unwissentlich.«
Prudence kicherte. »Eine großzügige Spende für verarmte alte Jungfern. Ich bin der Meinung, dass dies eine deiner besten, ausgefallensten Ideen war, Con.«
Ihre ältere Schwester lachte. »Wie wir eben sahen, hat es geklappt.«
»Beide strahlten«, schwärmte Chastity, als sie in den Landauer stiegen, auf dessen Kutschbock Cobham die Zügel in der Hand hielt. »Cobham, wir fahren zur Adresse der Winthrops, aber das wissen Sie natürlich.«
»Natürlich, Miss Chas«, sagte er. »Hübsche Hochzeit?«
»Ganz entzückend«, antwortete Prudence. »Alle weinten.«
»Bis auf uns« berichtigte Constance.
»Ich nur ein bisschen«, gestand Chastity. »Glück entlockt mir regelmäßig Tränen.«
»Ach, mein Liebling, was für ein weiches Herz du doch hast.« Constance legte den Arm um sie und drückte sie an sich. »Prue und ich bekommen neben dir das Gefühl, wir wären zwei Drachenweiber mit Eisenherzen.«
»Das würdest du nicht sagen, wenn du mich neben Douglas Farrell sehen könntest«, ex - klärte Chastity. Ihr Ruf als weichherzige Schwester ärgerte sie zuweilen, zumal da sie argwöhnte, dass es eine höfliche Umschreibung für sentimental sein sollte. Und für sentimental hielt sie sich wirklich nicht. »Er hält mich für die sarkastischste, provozierendste, neugierigste Frau.« Sie hatte es noch nicht ganz ausgesprochen, als sie auch schon wusste, dass es nicht genau der Wahrheit entsprach. Sie hatte ihren Schwestern nichts von der verwirrenden Natur seines so genannten Freundschaftskusses erzählt, obwohl sie ihnen die Wahrheit über seine wahre Mission anvertraut hatte. So aber war es irgendwie leichter zu tun, als fände sie ihn nach wie vor so unsympathisch wie anfangs.
»Nun, du hast diese gewisse Seite«, gab Prudence zu. »Alle Töchter unserer Mutter haben sie. Deine zeigt sich nur seltener.«
»Wir werden zu Weihnachten alles mit großem Interesse beobachten«, sagte Constance, als Cobham an den Bürgersteig heranfuhr und das Gefährt geschickt in eine Lücke in der Reihe der Wagen lenkte, denen Hochzeitsgäste entstiegen. »Falls du Hilfe brauchst, um mit ihm fertig zu werden, weißt du ja, an wen du dich wenden musst.«
»Das schaffe ich vielleicht glatt ohne Hilfe«, sagte Chastity und warf den Kopf derart eingebildet zurück, dass alle lachten. »Beistand werde ich nur brauchen, wenn es darum geht, sein Interesse an Laura wach zu halten. Wir müssen uns ein paar Gedanken machen, wie wir pausenlos Möglichkeiten finden, sie zusammenzuspannen.« Und ihn von ihr selbst fern zu halten. Noch mehr von der Sorte »freundschaftlicher« Küsse - und die ganze Arbeit war gefährdet. Aber auch das musste sie für sich behalten. Ihr war die schreckliche Vermutung gekommen, dass Douglas, der eventuell annahm, sie sei so reich wie ledig und zu haben, seine Aufmerksamkeit von Laura ab-und ihr zuwenden könnte.
»Du bist noch immer bereit, ihn zu Laura della Luca zu verdonnern, obwohl du deine Meinung über seine Goldgräbermotive geändert hast?«, fragte Prudence, als sie den Bürgersteig betraten.
Chastity zuckte mit den Schultern. »Eine reiche Frau möchte er nach wie vor und braucht sie auch. Und es ist ihm einerlei, was er sich einhandelt. Seine Ansichten über Frauen sind so vorsintflutlich, dass er Lauras unsinnige Äußerungen ungerührt über sich ergehen lassen wird. Er wird sie mit derselben etwas amüsierten Gleichgültigkeit behandeln wie seine Mutter und seine Schwestern. Nach dem Motto >So sind Frauen eben.<«
»Und so behandelt man sie«, vollendete Constance und neigte ihr Haupt in verächtlicher Zustimmung. »Du hast Recht, ein Fall von verlorener Liebesmüh.«
»Wann soll ich Sie abholen, Miss Con?«, erkundigte sich Cobham vom Kutschbock aus.
»Ach, so um drei, bitte. Um vier fährt der Zug von der Waterloo Station ab, also müssen wir von hier direkt
Weitere Kostenlose Bücher