Im Bann der Leidenschaft
wohlproportionierte Figur. Unter der Pelzkapuze schimmerten goldblonde Locken.
Unbehaglich musterte Zena die schöne Besucherin, und Alex verfluchte seinen taktlosen Freund. Aber er erholte sich schnell von der unangenehmen Überraschung und erhob sich. Anmutig eilte seine ehemalige Geliebte zu ihm.
»Was machst du hier, Amalie?« fragte er kühl. Ehe sie ihn umarmen konnte, hielt er ihre schmalen, in Glaceleder gehüllten Hände fest.
»Was soll die alberne Frage? Natürlich habe ich dich vermißt, Liebling.«
»Laß den Unsinn«, mahnte er leise und machte sie mit Zena bekannt. Während die Frauen einander begrüßten – Amalie honigsüß und boshaft, Zena scheu und unsicher –, wandte er sich zu seinem Freund, der entschuldigend die Achseln zuckte. »Cognac?« Er ging zu einem Fenstertisch, auf dem mehrere Karaffen und Gläser standen, und Yuri folgte ihm. »Was zum Teufel bildest du dir ein?« fauchte Alex, sobald sie außer Hörweite waren.
»Glaub bloß nicht, ich hätte das geplant!« flüsterte Yuri, während der Prinz zwei Gläser füllte. »Gestern abend erwähnte ich bei den Demidoffs, ich würde dich heute besuchen, und Amalie bestand darauf, mich zu begleiten. Du weißt ja, wie hartnäckig sie sein kann.«
»Allerdings«, bestätigte Alex und verdrehte die Augen.
»Tut mir wirklich leid.«
»Schon gut, es ist nicht deine Schuld«, erwiderte Alex und leerte sein Glas. Als Amalies schrilles Gelächter erklang, seufzte er resignierend. »Retten wir Zena aus ihren Krallen. Diesem Biest ist das arme Mädchen nicht gewachsen. Hilf mir, meinem wehrlosen Lämmchen die Tigerin Beckendorff vom Leib zu halten.«
Die beiden Männer schlenderten zum Frühstückstisch zurück und beobachteten, wie Amalie den kleinen Jungen am Kinn kitzelte. »Wem gehörst du denn, Schätzchen?« Schüchtern rutschte er auf seinem Stuhl zurück und starrte das fremde Gesicht an, das viel zu nah vor seinem war.
»Amalie, du darfst ihn nicht erschrecken«, warnte er.
Alex hob Bobby hoch.
»Papa!« Erleichtert legte das Kind den Kopf an seine Schulter.
Verwundert runzelte Yuri die Stirn, und Amalie schnappte hörbar nach Luft. Alex lächelte der sichtlich verlegenen Zena beruhigend zu. »So redet er fast alle Männer an.«
»Ist das Ihr Sohn, Mademoiselle?« fragte Amalie.
»Nein, Madame – er – er …«, stammelte Zena.
»Er ist ihr Bruder«, erklärte Alex. Den kleinen Jungen immer noch im Arm, legte er seine freie Hand auf Zenas Schulter, eine beschützende und zugleich besitzergreifende Geste. Frostig erwiderte er den skeptischen Blick der Gräfin. »Die beiden sind alte Freunde meiner Familie. Um sich eine Weile in meiner Datscha zu erholen, haben sie ihre Reise nach Süden unterbrochen. Ist deine Neugier jetzt befriedigt, Amalie? Wie wär’s mit einer Partie Billard, Yuri?«
Erschrocken schaute Zena zu ihm auf, was er richtig deutete.
»Wollen uns die Damen begleiten? Du hast doch schon oft mit uns gespielt, Amalie?«
Sofort bereute er die doppeldeutigen Worte, und sein Freund sprang in die Bresche. »Ja, und es fiel uns jedesmal schwer, gegen dich zu gewinnen, meine Liebe.«
Während die beiden Paare den Billardsalon aufsuchten, ging Bobby mit Mariana ins Kinderzimmer. Alex eröffnete die Partie, und die Frauen nahmen in bequemen Korbsesseln Platz. »Erzählen Sie mir doch, woher Sie kommen, Mademoiselle«, begann Amalie.
Wie sie von einigen Moskauer Klatschbasen erfahren hatte, war Alex’ Hausgast eine Straßendirne. Das konnte sie nicht glauben, während sie das feingezeichnete Gesicht betrachtete. Auch Zenas perfekt akzentuiertes Französisch sprach dagegen. Aus welcher Familie mochte sie stammen? Offenbar war sie bis vor kurzem eine unberührte Unschuld gewesen. Das verriet ihr häufiges Erröten. Nun zögerte sie und schien nach Worten zu suchen.
Alex hatte die unverblümte Frage gehört. Ärgerlich wandte er sich vom Billardtisch ab. »Hör auf, Zena zu bedrängen, Amalie! Will denn irgend jemand von dir wissen, wo dein Mann ist oder wo du dich nach seiner Meinung aufhältst? Sollen wir uns erkundigen, was Boris sagte, als er dich letzten Herbst eines Nachts auf der Terrasse entdeckte und feststellen mußte, daß du unter deinem Samtcape nackt warst? Oder warum du das fette Schwein überhaupt geheiratet hast? Sicher verstehst du, was ich damit andeuten will«, fügte er lächelnd hinzu, zückte wieder sein Queue und vollführte eine komplizierte Karambolage. »Wenn du auf indiskrete Fragen
Weitere Kostenlose Bücher