Im Bann der Liebe
leeren Becher in die Spüle und ging zur Tür. »Einen schönen Tag, Miss McKittrick, ich werde den Verkäufern Bescheid sagen, dass Sie nachher in den Laden kommen.«
Eine halbe Stunde später erschien Maisie mit roten Wangen von der frischen Herbstluft. Sie hatte Jasper zur Schule gebracht und dann am Hafen frischen Fisch gekauft. Mit einem Fuß trat sie die Tür ins Schloss und setzte ihren Einkaufskorb auf dem Tisch ab.
Susannah hatte gelesen - oder es zumindest versucht -, aber sie konnte sich nicht richtig konzentrieren. Immer wieder wanderten ihre Gedanken zu Aubrey Fairgrieve und seinem widersprüchlichen Verhalten. Wenn er sprach, dann nur kurz angebunden, doch Victoria gegenüber zeigte er eine gewisse Zärtlichkeit. Er mochte seinen Bruder nicht, duldete aber eine vollkommen Fremde in seinem Haus, eine Frau, die er nicht eingeladen hatte und die er ohne weiteres wieder hätte nach Hause schicken können.
»Um zehn Uhr kommt eine Kutsche für mich«, erzählte sie Maisie. »Können Sie, solange ich weg bin, auf Victoria aufpassen?«
»Sicher.« Maisie strahlte, bückte sich und streichelte das Baby, das jetzt gurgelnd und strampelnd in einem Körbchen neben Susannahs Stuhl lag. »Wir sind doch allerbeste Freundinnen, nicht wahr, Kleines?«
»Erzählen Sie mir von Ethan«, drängte Susannah. Sie wollte sich noch umziehen, ehe sie mit der Kutsche in die Stadt fuhr - aber ihre Neugier hielt sie zurück.
Maisie beschäftigte sich bereits in der Küche. Susannah hatte den Eindruck, dass sie es schaffte, immer zwei Dinge gleichzeitig zu tun. »Er ist Mr. Fairgrieves jüngerer Bruder, aber das wissen Sie ja schon. Er lebt außerhalb von Seattle, wo er ein Stück Land besitzt.«
»Und seine Frau? Wie sieht sie wirklich aus?«
Maisie lachte leise. »Er hat gar keine. Es gefällt ihm nur, ab und zu ein bisschen Unruhe zu verbreiten. Jasper und ich haben ihn schon vermisst.« Ihr Gesicht wurde er n st. »Aber Mr. Fairgrieve anscheinend nicht. Ich glaube nicht, dass sie seit Mrs. Fairgrieves Beerdigung auch nur ein Wort miteinander gewechselt haben. Selbst am Tag der Beerdigung gab es Auseinandersetzungen .«
Die Türklingel unterbrach sie, ehe Susannah noch mehr erfahren konnte. »Ich gehe!«, rief sie Maisie zu.
Susannah hatte erwartet, dass der Kutscher draußen stünde, aber als sie durch das Glas der Tür spähte, stand Mr. Hollister dort in Hut und Anzug und mit einem höflichen Lächeln auf den Lippen.
Susannah öffnete die Tür. »Guten Morgen, Mr. Hollister«, grüßte sie. »Ich fürchte, Mr. Fairgrieve ist nicht mehr da...«
Mr. Hollister trat ein, schloss die Tür hinter sich und nahm mit einer fließenden Bewegung den Hut dabei ab. »Ich bin nicht hier, um Mr. Fairgrieve zu sehen«, erklärte er ihr. Die Leute im Westen, kam Susannah spontan in den Sinn, können sehr frei heraus sein, trotz ihres Rufes, immer auf ihre Privatsphäre bedacht zu sein. »Verzeihen Sie, Miss McKittrick, ich hätte nicht so unangemeldet hereinplatzen sollen.«
Susannah berührte tröstend seinen Arm, denn die Verlegenheit des Mannes tat ihr Leid. Das Ziffernblatt der großen Standuhr hinter ihm zeigte ihr, wie die Zeit verging, die sie hatte nutzen wollen, um sich etwas anderes anzuziehen und ihre Haare aufzustecken.
»Kommen Sie doch herein«, bot sie an, denn etwas anderes blieb ihr nicht übrig. Außerdem mochte sie Mr. Hollister, auch wenn sie so gut wie nichts über ihn wusste.
Hollister brachte sein Anliegen gleich vor. »Oh, nein, ich kann nicht bleiben«, wehrte er ab. Er errötete tief. »Ich hatte gehofft, dass wir ... nun ... dass Sie vielleicht einmal mit mir zu Abend essen würden. Wie wäre es mit morgen?«
Susannah war verblüfft, fühlte aber eine freudige Erregung in sich aufsteigen. Bislang hatte sie ihr Leben sehr zurückhaltend verbracht und war nicht einmal zum Tanz eingeladen worden, von einem Abendessen ganz zu schweigen. »Oh, Mr. Hollister, ich weiß nicht, was ich sagen soll«, stammelte sie und legte eine Hand auf die Brust.
Verlegen trat er von einem Fuß auf den andern. »Es sei denn, ich habe mich in meiner Annahme geirrt, dass Sie ... ungebunden sind?«
Susannah hielt den Atem an. »Nein ... ja ... aber ich kenne Sie nicht einmal.«
»Das versuche ich ja gerade zu ändern.« Sein Lächeln war wohlwollend und recht anziehend. Er war zwar nicht so attraktiv wie Aubrey, aber das war vielleicht auch gut so. Wie Ethan besaß Mr. Hollister seinen ganz eigenen Charme.
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