Im Bann der Liebe
nicht empfand.
Ethan teilte aus, sortierte seine Karten und sah ihn an.
»Eine Antwort«, gab er zurück und erwiderte Aubreys Blick. »Wenn du offen reden willst, gut. Ganz Seattle spricht davon, dass du und Delphinia euch getrennt habt. Ich denke, ich will wissen: Was hast du mit Susannah vor?«
Aubrey nahm seine Karten, schaute hinein und warf eine Münze auf den Tisch. Wann immer Ethan und er versucht hatten, miteinander zu reden - was selten genug war -, mussten sie dabei etwas anderes tun, Karten spielen, Pferde satteln oder kämpfen.
»Wenn du etwas über Susanna h s Pläne wissen willst«, entgegnete er, »warum fragst du sie dann nicht selber?«
»Das brauche ich nicht«, gab Ethan lässig zurück und betrachtete stirnrunzelnd sein Blatt. Das hieß, dass es wahrscheinlich herausragend war. »Es ist ganz klar, dass sie sich um das Kind kümmern will. Ich habe nach deinen Absichten gefragt, Aubrey, nicht nach ihren.«
Aubrey beugte sich vor. »Meine Absichten gehen dich, verdammt noch mal, nichts an!«
»Susannah ist eine Dame, Aubrey. Behandle sie nicht wie Delphinia und die anderen.«
»Die anderen?«, wiederholte Aubrey wütend. Er lehnte die Anspielung, dass er ein Frauenheld war, ab. Er war Julia ein treuer Ehemann gewesen, bis sie ihn monatelang aus ihrem Bett verbannt hatte.
Ethan seufzte und schloss erschöpft die Augen. »Okay, lass uns unsere Differenzen für den Moment vergessen und wie erwachsene Männer miteinander reden. Ich kenne dich, Aubrey. Wenn du dich von Delphinia trennst, bedeutet das, dass du ein Auge auf jemand anderen geworfen hast. Man muss nicht besonders klug sein, um zu merken, dass es Susannah ist, die du willst.«
Aubrey wollte nicht leugnen, dass er sich für Susannah interessierte, war aber auch noch nicht so weit, es zuzugeben, nicht einmal vor sich selbst. Es erzürnte ihn, dass Ethan ihm zutraute, seinen unschuldigen Hausgast zu verführen. Angenommen, sie war wirklich unschuldig, natürlich - er hatte sich ja schon einmal geirrt.
»Wenn du hier bist, um mir Moralunterricht zu geben«, erwiderte er wütend, »rate ich dir zu verschwinden, ehe ich dir die Zähne einschlage.«
Ethan warf die Karten hin und funkelte seinen Bruder an. Er versuchte, sich zu beherrschen, aber sie zogen die Aufmerksamkeit schon auf sich. Ihre Fehde war in Seattle gut bekannt, das trotz allem eine Kleinstadt geblieben war.
»Du verdammter ...« Ethan unterbrach sich, ehe er erneut begann. »Ich habe nicht mit deiner Frau geschlafen. Ich habe auch nicht vor, mit Susannah ins Bett zu gehen. Himmel, ich bin dein Bruder!«
Aubrey spürte einen Sturm von Gefühlen in sich aufwallen - Wut, Trauer und so etwas wie Hoffnung. Dann fielen ihm Julias Neckereien wieder ein, ihr verächtliches Lachen. Er dachte an das blonde Haar und die blauen Augen des Babys - wie die Ethans.
»Genau«, fauchte er. »Ich habe dir vertraut, und ich habe ihr vertraut. Was war ich nur für ein Narr!« Damit sprang er auf und ging davon. Er musste an die frische Luft.
Ethan folgte ihm nicht.
Als er sein Heim erreichte, sah Aubrey eine Weile im Dunkeln zum zweiten Stock empor. Er stellte sich Susannah in ihrem kleinen Zimmer vor, wie sie sich die Haare bürstete oder las oder das Baby auf dem Arm hatte.
Plötzlich ergriff ihn ein Gefühl tiefster Einsamkeit, und er ballte die Fäuste. Fluchend stieß er das Tor auf und ging auf das Haus zu.
Susannah hörte Schritte im Flur, die vor ihrer Tür stehen blieben.
Ihr Herz klopfte, aber nicht aus Angst, sondern in einer Art süßer Erwartung. Sie hielt inne, die Haarbürste in der Hand, nur in ein Nachthemd gekleidet. Dann hörte sie, wie die Schritte sich entfernten.
Tränen stiegen ihr in die Augen, und sie blinzelte sie fort, nicht sicher, ob sie enttäuscht oder erleichtert war. Hätte sie Aubrey willkommen geheißen oder ihn fortgeschickt? Susannah hatte das Gefühl, sich selbst fremd zu sein. Was war mit Julia? Sie war ihr eine loyale Freundin gewesen und würde auch ihrem Andenken loyal gegenüberstehen.
Julias Kind weinte leise auf, und Susannah eilte zu ihm, froh über die Ablenkung. Victoria sah sie an, und die Ähnlichkeit mit Aubrey wurde ihr in dem Moment so bewusst, dass sie die Luft anhielt.
Wie konnte er sich von seinem Kind dermaßen distanzieren? Wie nur?
Susannah streckte einen Finger zu der Kleinen aus, sie griff danach und krähte zufrieden.
»Was auch immer passiert«, versprach sie Victoria flüsternd, »ich werde auf dich
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