Im Bann der Liebe
Hollister.
Hawkins, sein Sekretär, machte sich sofort auf den Weg. Aubrey schätzte ihn sehr und dachte, dass man nur noch selten Menschen wie ihn fand.
Er hatte sich gerade hingesetzt, um einen Vertrag mit einem Kaufmann aus San Francisco durchzugehen - die Verhandlungen waren der Anlass für seine Reise dorthin gewesen -, als Hollister ohne Ankündigung hereingeplatzt kam.
»Ich gebe den Fall ab«, erklärte er.
Aubrey legte seinen Federhalter hin und betrachtete den Mann, der erregt atmete. Er wirkte sehr angespannt. »Was?«
»Ich möchte Susannah McKittrick umwerben«, erklärte Hollister. Er machte keine Anstalten, sich hinzusetzen, und Aubrey bot ihm auch keinen Platz an. »Das kann ich nicht guten Gewissens tun, wenn ich gleichzeitig in ihrer Vergangenheit herumschnüffele.«
»Wie bitte?«
»Ich glaube, Sie haben mich sehr gut verstanden«, schnaubte Hollister. »Es ist mir egal, welchen Verdacht Sie hegen. Für mich ist Susannah eine ganz besondere Frau.«
»Das ist nur zu wahr«, stimmte Aubrey ihm zu. »Was meinen Sie, wird sie von Ihnen denken, wenn sie erfährt, dass Sie ein Pinkerton-Mann sind, dazu angeheuert, ihre Vergangenheit auszuspionieren?«
Hollister wollte etwas sagen, beherrschte sich aber. »Sie wird ohne Zweifel verstört sein. Aber ihre Reaktion auf die Tatsache, dass Sie derjenige sind, der mich für meine Aufgabe angeheuert hat, wird sie nicht minder erschüttern.«
Aubrey hatte bereits darüber nachgedacht. Er war die halbe Nacht wach gewesen und hatte so gut wie alles durchdacht. »Susannah weiß, dass ich der Schurke bin. Was Sie angeht, hat sie Sie bisher für einen Gentleman gehalten.«
»Verdammt«, murmelte Hollister. Fast tat er Aubrey Leid. Aber nur fast. Der Pinkerton-Mann riss sich zusammen und hob den Kopf. »Ich muss zu ihr gehen und reinen Tisch machen«, verkündete er. Dann errötete er tief.
Hätten sie über eine andere Frau gesprochen, hätte Aubrey jetzt gelacht. Aber so, wie die Dinge standen, war ihm nicht danach zumute. Endlich erhob er sich. »Sie sind entlassen«, stellte er lässig fest.
»Ich kündige«, korrigierte Hollister ihn.
»Ich habe Susannah gebeten, mich zu heiraten.«
Das saß. Hollisters Augen wurden groß, sein Gesicht war plötzlich voller hektischer roter Flecken. Aubrey fragte sich, ob er vielleicht einen Arzt holen sollte.
»Und was hat sie geantwortet?«, fragte der Detektiv äußerlich scheinbar ruhig. Man musste es ihm lassen, er hielt sich mit Würde.
»Gar nichts«, seufzte Aubrey. Plötzlich erschöpft, ließ er sich wieder in seinen Stuhl sinken. »Aber sie wird zustimmen, Hollister, und wenn es nur ist, um das Kind zu behalten. Setzen Sie sich, Sie sehen aus, als ob Sie gleich einen Schlaganfall bekämen.«
Hollister zögerte kurz und nahm sich dann einen Stuhl. Erst jetzt dachte er daran, seinen Hut abzunehmen, den er dann nervös in den Händen drehte. »Sie sind in der Tat ein Schurke«, bemerkte er, »wenn Sie das kleine Baby dazu benutzen, die Frau zu bekommen, die Sie haben wollen.«
»Ich bekomme gewöhnlich immer, was ich will«, gab Aubrey zurück, aber er klang reumütig. Seltsamerweise war ihm noch nie etwas so ernst gewesen wie der Umstand, dass er Susannah zur Frau haben wollte. »Ich sollte Ihnen sagen, dass ich das Wohltätigkeitskomitee auf meiner Seite habe.«
Endlich lachte Hollister, auch wenn seine Augen ernst blickten. Er war verletzt - Susannah bedeutete ihm wirklich etwas - und Aubrey bedauerte, dass es so weit gekommen war. Andererseits war es nicht seine Schuld, dass der Mann zärtliche Gefühle für die Frau entwickelt hatte, die er eigentlich aushorchen sollte. Wenn man darüber nachdachte, war das sogar höchst unprofessionell.
»Wenn sie noch nicht Ja gesagt hat«, dachte Hollister laut, »bedeutet das, dass ich noch eine Chance habe. Ich gebe nicht eher auf, als bis die Dame mir selber sagt, dass es keine Hoffnung mehr gibt.«
Aubrey breitete die Hände aus und bemühte sich um ein gleichgültiges Gesicht, aber tief innerlich war er sich nicht sicher, ob Susannah ihm wirklich vor Hollister den Vorzug gab. Sie musste doch wissen, dass er sie nicht davon abhalten würde, die kleine Victoria zu sehen - nicht wahr? Das war nur ein Bluff. Er faltete die Hände und ließ sein Kinn darauf ruhen. »Das ist fair«, stimmte er zu.
»Lieben Sie sie?« Es war eine sehr persönliche Frage, und Aubrey war entrüstet.
»Ich halte Liebe für eine fatale Regung. Susannah ist sich meiner Auffassung
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