Im Bann der Liebe
Aubrey es anders sieht, sie und ich standen einander nicht besonders nahe. Ein-oder zweimal hatten wir eine Auseinandersetzung. Deshalb wollte sie wohl den Eindruck erwecken, wir wären ein Liebespaar. Sie wusste, dass Aubrey mich dann hassen würde, wer hätte ihm auch einen Vorwurf daraus machen können? Ein Mann muss seinem Bruder trauen können, wenn schon nicht seiner Frau. Wenn man darüber nachdenkt, war sie verdammt clever - sie hat sich an mir gerächt und Aubrey in den Wahnsinn getrieben.«
Susannah erschauerte. Es wäre ein Trost gewesen, zu glauben, dass Ethan sich irrte, aber sie wusste, dass er Recht hatte. Julia hatte etwas Unberechenbares gehabt. Wenn sie wütend war, war sie zu Schabernack und sogar zur Grausamkeit fähig gewesen. Als einmal eine streunende Katze nach St. Marys gekommen war und sich Susannah angeschlossen hatte, hatte Julia alles getan, um das Tier für sich zu gewinnen, hatte sie gestreichelt, ihr Sahne und Fisch gegeben. Später war die Katze krank geworden und gestorben. Na gut, hatte Julia gesagt, macht nichts. Mir ist die Arbeit sowieso zu viel geworden.
Susannah spürte Widerwillen in sich aufsteigen. Sie hatte lange nicht an die Begebenheit gedacht, aber Ethans Worte hatten sie ihr wieder ins Gedächtnis gerufen.
Sie erhob sich. »Ich gehe besser in den Ballsaal zurück.« Sie glättete ihr Kleid. J ulias Kleid.
Julias Haus. Julias Baby. Julias Mann. Würde es denn nie etwas geben, das ihr gehörte?
12
Der Ring war ganz schlicht, nur ein schmaler Goldreif mit Diamantsplittern besetzt. Und doch war er das Atemberaubenste, was Susannah je gesehen hatte.
Aubrey zog sie beim Tanz beiseite, um ihn ihr anzubieten.
Hinter einer Topfpflanze, die Maisie aus dem Salon geholt hatte, stellte er ihr die Frage noch einmal, doch diesmal nur mit den Augen. Wi llst du mich heiraten, Susannah?
Sie betrachtete den Ring, dann sein Gesicht und dachte an das, was Ethan ihr gesagt hatte. Vielleicht hatte er Recht, vielleicht war Liebe wirklich etwas, das sich langsam entwickelte. Sie schluckte. »Es - es schickt sich nicht, nicht wahr? Dass wir so schnell nach Julias Tod heiraten?«
»Was Julia und ich geteilt haben, war schon lange vor ihrem Tod vorbei«, erklärte Aubrey mit leiser Stimme. »Du wirst mit mir glücklich werden, Susannah, das verspreche ich dir.«
Meine Freundin ist nicht glücklich gewesen, dachte Susannah. Auf der anderen Seite war Julia eben Julia gewesen. Sie holte tief Luft. »Wann soll die Heirat stattfinden?«, fragte sie, und ihre ruhige Stimme erstaunte sie selber, denn innerlich war sie in Aufruhr, »falls es zu einer Heirat kommt?«
Sein Gesicht verriet nicht, was er empfand, falls er überhaupt etwas empfand. Was ihn anging, war die Frage der Ehe eine praktische Überlegung, das hatte er von Anfang an klar gemacht. So reich und attraktiv Aubrey auch war, er war ein einsamer Mann. Genau wie Zacharias und die anderen Männer, die sich um sie bemühten. Ihr Herz schmolz dahin, denn sie wusste nur zu gut, wie es war, wenn man sich nach Freundschaft und Zärtlichkeit sehnte.
»Warum, Aubrey?«, fragte sie verwirrt. »Warum gerade ich?«
Er hatte ihre Hand ergriffen und schickte sich an, ihr den Ring überzustreifen. »Das habe ich dir doch schon gesagt. Ich finde dich schön. Und du hast Victoria in dein Herz geschlossen.« Er schwieg. »Und weil ich manchmal denke, dass ich verrückt werde, wenn ich noch eine Nacht allein in diesem Bett liege.«
Die Erwähnung des Bettes war ernüchternd. Immerhin war Susannah noch nie mit einem Mann intim gewesen. Außer ein paar Andeutungen, die sie von anderen Frauen aufgeschnappt hatte, war ihr diese Seite der Ehe gänzlich unbekannt. Sie errötete. »Du verstehst nicht, ich habe nie ... ich war noch nie mit einem Mann zusammen - in der Art, meine ich.« Sie flüsterte jetzt, denn einzelne Tänzer begannen neugierig zu ihnen hinzusehen. Wenn jemand diese Unterhaltung belauschte, wäre ihr das ungeheuer peinlich.
»Du brauchst mit mir erst intim zu werden, wenn du dazu bereit bist«, versprach Aubrey. Er sprach sehr ernst und erinnerte kein bisschen an den Schurken, als den Julia ihn in den letzten Briefen beschrieben hatte. Sagte er die Wahrheit?
Sie sah ihn unglücklich an. »Aber du hast doch gesagt, dass wir im selben Bett schlafen werden.«
»Das werden wir. Aber ich zwinge dich zu nichts, Susannah. Das verspreche ich dir.« Er seufzte, was sie seltsam tröstlich fand. »Egal, was es kostet«, fügte er
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