Im Bann der Lilie (Complete Edition)
Freund, dass sie ihre Ruhe wiederfinden.“
Wie immer die auch aussehen mag, ergänzte Townsend zynisch in Gedanken und verließ erleichtert das Haus des Marquis, um so rasch wie möglich zurück an die Küste zu eilen. Unterwegs würde er eine Taube mit einer Botschaft nach England senden!
Nachdem sie der Wirtin des Admiral Bleu ihre versprochene Silbermünze in die Hand gedrückt hatten, waren Marcel und Silvio im Sattel auf dem Weg zum Hafen. Je näher sie den am Kai liegenden Schiffen mit ihren hoch aufragenden zahllosen Masten kamen, desto langsamer folgte Silvio seinem Freund, bis Marcel sich schließlich nach ihm umdrehte.
„Was ist los?“, fragte er erstaunt und hielt seinen Schimmel an.
Silvio trieb die Stute an seine Seite.
„Ich werde nie wieder die Planken eines Schiffes betreten“, verkündete der junge Halbitaliener mit fester Stimme. Die Entschlossenheit zeigte sich auch in seinen Augen.
Marcel seufzte. Das hatte ihm gerade noch gefehlt. Allerdings war auch ihm selbst nicht wohl bei dem Gedanken, auch nur für einen Tag erneut auf See zu sein.
Er machte dennoch einen letzten Versuch, seinen Gefährten zu überzeugen: „Townsend hat recht. Wir sind in diesem Land nicht sicher, egal, wo wir uns verkriechen. Vergiss das nicht. Die Wirtin hat uns vorhin schon so merkwürdig angeschaut.“
Silvio schüttelte stur den Kopf. Nein, seine Zeit auf Schiffen war vorbei. Lieber war er jede Nacht unterwegs von einem Ort zum anderen, als jemals wieder über das Wasser zu reisen. Ein weiterer, ihm nicht bekannter Grund war der Instinkt des Vampirs, sich vor fließendem Wasser zu hüten. Es konnte ihn töten!
Der Chevalier sah ein, dass es keinen Sinn hatte.
„Also schön, bleiben wir an Land. Townsend wird nach seiner Mission garantiert zurück nach Le Havre kommen. Wir müssen in der Nähe der Stadt bleiben, sonst werden wir niemals erfahren, ob er Erfolg hatte“, drängte er stattdessen.
Immerhin, das leuchtete auch Silvio ein. Sie brauchten dringend einen Unterschlupf, der sie vor neugierigen Blicken bewahrte.
„Die Girauds. Sie würden uns auf Townsends Empfehlung bestimmt ein Zimmer geben“, kam es Silvio in den Sinn. Das war logisch. Townsend würde nach seiner Rückkehr bei seinen Freunden vorsprechen und sie daher zwangsläufig finden.
„Und bis Townsend wieder da ist, bräuchten wir dieses Zimmer nicht mehr zu verlassen! Wir sagen einfach, wir hätten eine ansteckende Grippe. So wird uns niemand sehen“, schlug Silvio lachend vor.
Marcel lächelte und wendete sein Pferd. „Komm“, sagte er nur.
Die Girauds waren nicht wenig erstaunt, Townsends junge Bekannte wiederzusehen. Nach außen hin war das kinderlose Paar zwar durch und durch geschäftstüchtig. In ihrem Herzen jedoch waren sie königstreue Anhänger geblieben, und Bonaparte war für sie ein unberechenbarer Herrscher, der viel zu viele Neuerungen durchsetzte. Da sie annahmen, dass es sich bei den beiden jungen Männern um Gleichgesinnte und Verfolgte handelte, stellten sie keine Fragen. Allerdings war die Suche nach ihnen bereits in vollem Gange. Diese Tatsache war ihnen durch den Polizeipräfekten von Le Havre bekannt geworden, ebenfalls ein gerngesehener Gast in ihrem Hause, und darüber mussten sie ihre Gäste in Kenntnis setzen. Marcel und Silvio waren zunächst erschrocken, als sie hörten, dass man bereits offiziell nach ihnen fahndete. Offenbar hatte der Marquis ein offenes Ohr für sein Anliegen beim Konsul gefunden. Langsam wurde Marcel auch klar, dass es eventuell zwei Bilder geben konnte. Die Girauds beruhigten sie. In ihrem Hause würde man die Gesuchten niemals vermuten, zumal der Präfekt hier ein und aus ging. Um ganz sicher zu gehen, wiesen sie ihnen ein separates kleines Haus auf ihrem Grundstück zu, welches eine ehemalige Gärtnerwohnung war. Dort würden sie bis zu Townsends Rückkehr unentdeckt bleiben können So würde es auch nicht auffallen, dass sie sich nur des Nachts blicken ließen. Der Brite würde jedoch nach wie vor davon ausgehen, dass sie längst in England weilten und seine Nachrichten dorthin schicken. Die Zeit lief ihnen also immer noch davon!
Nach der Abreise ihrer Gäste hatte Vivienne LeBlanc sich ihr Schultertuch umgeworfen und sich eilig auf den Weg zur nächstgelegenen Gendarmerie gemacht. Fünfzig Goldstücke waren nicht zu verachten. Auch wenn sie sich nicht ganz sicher war, dass es sich bei den beiden Gesuchten um ihre Gäste gehandelt hatte, so wollte sie dennoch ihr Glück
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